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Auf in den Urwald (German Edition)

Auf in den Urwald (German Edition)

Titel: Auf in den Urwald (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Waluszek
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zu erheben. Berthold sah zunächst nur seine Beine, aber dann gingen seine Blicke nach oben und ... das Blut gefror ihm in den Adern.
    Der »Tote Mann« stand langsam, beinahe widerstrebend und wackelig auf. Die Perücke glitt ihm vom Kopf. Er grinste. Mit vor Schrecken aufgerissen Augen sah Berthold, dass es keine Puppe, sondern ein richtiger Mann war, der widerlich nach Alkohol stank. Und schon im nächsten Augenblick wankte er und beugte sich nach vorne. Das grinsende Gesicht kam immer näher. Der Mund klappte auf, die Arme pendelten aus und fassten nach Berthold –
    An das, was nun geschah, konnte sich Berthold anschließend nicht mehr genau erinnern. Er kam erst wieder zu sich, als er den Mann im Sarg liegen sah, in den er ihn mit aller Gewalt zurückgestoßen hatte. Leblos lag er da, mit auf der Brust verschränkten Armen. Und Berthold hielt das Messer in der Hand. Verflucht. Er hatte den Mann doch nicht etwa umgebracht? Er hatte doch nur zwei- oder dreimal mit dem Messer zugestochen, ganz ohne Absicht, nur um sich zu wehren! Wie damals, vor drei Jahren, als er im Park mit ein paar Betrunkenen aneinandergeraten war, die ihn provoziert hatten.
    Berthold begann, am ganzen Körper zu zittern. Noch war seine Bewährungszeit nicht abgelaufen. Noch durfte er sich nichts zuschulden kommen lassen! Er schaute hinter sich, als suche er einen Zeugen dafür, dass er vollkommen unschuldig sei. Aber niemand war da. Nur er, der Mann und die Stille.
    Berthold beugte sich über den Sarg. Der Mann war tot. Ohne jeden Zweifel mausetot, nichts an ihm rührte sich. Wo kam er her? Ein Betrunkener, der wie schon oft den Weg nicht nach Hause gefunden hatte und irgendwo auf der Kirmes zu übernachten versuchte?
    Panik erfasste Berthold. Das war jetzt egal. Völlig egal. Er musste hier weg. Ganz schnell weg!
    Er stürzte nach unten. Draußen umfasste ihn die kalte Nachtluft. Was sollte er tun? Wie sich retten? Ratlos stand Berthold eine Weile vor der Geisterbahn. Nichts fiel ihm ein. Er rannte einfach los. Weg von der Geisterbahn, weg von der Kirmes, weg von ...
    Der weiße Porsche vom Jeschke! Berthold blieb stehen. Die Kirmes lag im Schlaf. Nichts rührte sich. Er bückte sich und schaute durch die Scheiben. Die Fahrertür war nicht abgeschlossen und der Schlüssel steckte im Zündschloss, Jeschke hatte mal wieder vergessen, ihn abzuziehen. Berthold öffnete die Tür und ließ sich hinter das Steuer fallen. Das war die Rettung. Mit dem Wagen konnte er fliehen. Wohin, wusste er nicht. Hauptsache, er kam weg von hier. Nur weg, weit weg von dem Ort, wo man bald den Ermordeten entdecken würde.
     
    »Du kommst jetzt mit!«, sagte Edek, packte Onkel Ludwig an den Armen und schulterte ihn wie einen Verletzten. Dann trug er ihn nach unten, hinter die Geisterbahn, wo schon der Tieflader mit offener Beifahrertür bereitstand.
    Edek erklomm mit Onkel Ludwig die Fahrerkabine. Ludwig war viel leichter, als Edek gedacht hatte, eigentlich fast federleicht. Und er machte keinerlei Schwierigkeiten. Edek legte ihn hinter die Sitze auf den Boden. Onkel Ludwig grinste nun beinahe so, als sei er Edek für diesen Ausflug dankbar.
    »Jetzt musst du nicht mehr verrücktes Gequatsche von Wilfried hören«, meinte Edek. Es machte ihm nichts aus, mit einem Toten zu reden. Überhaupt hatte Edek jegliche Scheu vor Onkel Ludwig verloren. Hätte er nicht drei Millionen mit ihm erpressen können, hätte Onkel Ludwig seinetwegen bis zum Jüngsten Tag im Sarg des »Toten Mannes« bleiben dürfen. Und wenn Wilfried vorgeschlagen hätte, Onkel Ludwig mit in den Mannschaftswagen zu nehmen, hätte sich Edek bestimmt nicht quergestellt. Ein toter Mann blieb schließlich ein Mann. Ganz einfach.
    Edek warf den Motor an und fuhr los. Die Sonne brannte wie auf den texanischen Feldern. Nur nicht so heiß. Eigentlich ganz kalt. Genauso, wie Edek sich fühlte – kalt und ruhig.
    Edek lenkte den Tieflader auf die Rheinbrücke und gab Gas. Bald hatte er die Stadtmitte hinter sich gelassen und fuhr auf der Autobahn. Nach Lüdinghoven. Wo bereits Vanessa Jagenberg mit dem vielen Geld auf ihn wartete. Etwas entfernt von dem Wäldchen, wo er sie treffen wollte, aber noch in der Straße, deren seltsamen Namen Edek sich nicht merken konnte, parkte er den Tieflader. Er schloss sorgfältig die Türen ab und marschierte los.
    Die Sonne hatte noch nicht ihren höchsten Punkt am Himmel erreicht und schien leicht schräg von hinten Edek in den Rücken. Das hatte er in seinem perfekten

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