Auf Inseln (German Edition)
- „Ich habe verstanden. Kann ich jetzt gehen?“ - „Wenn du bei deinem Entzug ärztliche Unterstützung brauchst, können wir dir ihn geben“ - „Danke!“ Robert schließt die Tür hinter sich, zündet eine weitere Zigarette an, flüchtet sich in seine Kabine, schmeißt sich aufs Bett und starrt ausdruckslos an die Decke, bläst Rauchkringel. „Es ist das Privileg der Jugend, sich mit schädlichen Substanzen zu berauschen, obgleich man im Alter den Rausch sicher nötiger hätte“, denkt er sich. „Alleine schon um die weniger werdende Sexualität zu kompensieren, um vor dem kommenden Tod zu trösten, um ein mehr an Schmerzen zu nehmen.“ Robert kann sich die Konsequenzen einer Abstinenz nicht vorstellen, obgleich es Phasen in seinem erwachsenem Leben gab, in denen er abstinent war, in denen er abstinent sein musste. Es waren nur wenige Monate. Nun ist er für den Rest seines Lebens zur Alkohollosigkeit verurteilt, denn er will die Erde erleben, und wenn diese sich in all ihrer Sinnlosigkeit darbieten wird, hat er die Möglichkeit, mit dem Trinken wieder zu beginnen. Können sechzig Tausend Jahre mehr an Evolution die Sinnlosigkeit vergrößern?. Robert ist nicht abgeneigt, dies zu glauben. Heute wird nochmal alles anders sein. Er wird seinen Geburtstag und die Nachricht des Tages gebührend feiern, in kleinem Freundeskreis. Möglicherweise ist der Tod so etwas wie eine unendliche Hibernation. Das sollte man möglichst weit aufschieben. Unangenehmer Gedanke! Die Karten sind verteilt. Alle Karten kann er nicht einsehen, aber er geht alles in allem davon aus, dass es schlecht für ihn aussieht. Möglicherweise bedeutet eine der versteckten Karten die Hölle, die ewige Verdammnis, die christliche Foltereinrichtung, die jeden erwartet, der nicht nach neokatholischen Maßstäben gelebt hat. Es ist verfehlt zu hoffen, dass man in der Hölle auf all die trifft, die ein verfehltes Leben geführt haben, denn in der Hölle ist man allein. Es gibt keine Chance sich gegen die Folter zu solidarisieren. Man ist allein, es sei denn, man erträgt andere nicht. Robert erinnert sich an die Kindergeschichten von der Hölle, an die Erwachsenenversionen, die er sich von der Kanzel anhören musste. Am heutigen Tag wird definitiv die Hölle eingeleitet. Einen Vorgeschmack davon hat er kennengelernt, meist aber in einer Art Fegefeuer gelebt, in dem die Flammen immer wieder von Bier oder Wein gelöscht wurden. Er kann sich keiner Heilslehre anschließen. Auf der Erde wird nicht das Paradies warten, die ewige Euphorie, das unzerstörbare Glück. Sechzig Tausend Jahre Evolution werden sich einen Dreck um Robert kümmern. Er ist völlig unbedeutend, ein Nichts, dennoch gibt es die passende Hölle für ihn, so als ob sie für ihn konzipiert wäre. Priester und Bischöfe mit nackten Frauen im Arm grinsen ihn an. Sie haben es ihm immer gesagt. Sie haben es ihm immer zeigen wollen. Er ist auf der Straße der Verdammnis und keine der Huren New Havannas begleitet ihn. Sie geben ihm kindische Sakramente, von denen er nicht weiß, ob sie ihm helfen sollen oder ihn verfluchen, lassen ihn allein und zeigen sich mit ihren Gespielinnen. Der Traum verirrt sich dann in Tiefschlafregionen.
„Ein letztes Mal meine Freunde!“, toastet Robert Vanessa und Paul zu. Andere Alkoholiker haben sich in Aufenthaltsraum C nicht eingefunden. Theo trinkt nicht mit, aus Prinzip. Robert hat den beiden seine miserable Lage geschildert. Sie haben sich besorgt gezeigt und Vanessa sagt, dass es ohne Alkohol geht. Meint sie es ehrlich? Robert hat versucht, die besten Spirituosen an Bord zu organisieren, mit Verweis darauf, dass er Geburtstag habe und ein letztes Mal trinke. Das glaubt er selbst nicht. Die Leber wird sich vielleicht erholen, regenerieren, die Fettleber sich zurückbilden und dann kann er sich vielleicht der Nüchternheit entziehen. „Ich habe immer gerne mit euch getrunken, insbesondere mit dir Paul. Wir haben hektoliterweise Bier und Wein getrunken und hier an Bord jede Menge Schnapsfusel. Und mit dir Vanessa habe ich auch besonders gerne getrunken. Du bist eine Frau mit Geist, eine beherzte Frau. Du weißt, warum ich gerne mit dir getrunken habe!“ Vanessa lacht. „Ja, ich weiß, warum du gerne mit mir getrunken hast.“ Robert ist offensichtlich schon stark angetrunken. „Ich muss Hugo Scheffener fragen, ob er Hasch an Bord hat. Hat er bestimmt. Dann kann er mir welches davon abgeben. Dann bilden wir einen Raucherklub. Er verteilt an seine
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