Auf Inseln (German Edition)

den Überwachungskameras. Der Mörder, wenn es kein galaktischer Geist war, ist immer noch unter ihnen, die Bespitzelungsatmosphäre hält an, religiöse Tendenzen haben sich verfestigt, Gräben haben sich gebildet, alles scheint unüberwindbar. Die Jobs, die zu erledigen sind, werden aber gemacht. Robert hat Vorlesungen über die Geschichte der Erde abgehalten. Er hat verdeutlicht, wie lange es gedauert hatte, bis Warmblütler auf der Erde entstanden, wie lange, bis Affen den Planeten bewohnten. Er ging auf den Neandertaler ein, die Ägypter, China und die Römer, auf die Entwicklungen, die dazu geführt hatten, dass ihre Welt besiedelt wurde. Keiner seiner Zuhörer konnte ihm sagen, was sich in sechzig Tausend Jahren auf der Erde entwickelt hatte.
     
     
     
    Fast dreißig Hibernationen liegen hinter ihnen. Robert hatte Kontakt mit Geistwesen, galaktischen Gespenstern, die drohten, ihm den Lebensstrang zu entziehen. Merkwürdige Diskussionen, Auseinandersetzungen fanden statt, ohne einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen, ohne einen Gewinn. Scheinbare Endlosschleifen von Gedanken, von vorneherein widersprüchlich, oft an denselben unhaltbaren Punkten endent, keinen Ausweg zeigend, um immer wieder von vorne zu beginnen, peinigten ihn. Er weiß, dass da etwas war während dieser Hibernationen, aber nicht was. Wie dumpfe Alpträume, die auch im Schlaf das Fastbewusstsein überfallen, ein durchaus langwieriger Eindruck, der aber verglichen zeitlich nur ein kleiner Moment gegenüber dem ist, was sich da während einer Hibernation in sein Halbbewusstsein einschleicht. Robert hat keine Ahnung, wie alt er ist. Er wurde ungefähr vor dreißig Tausend Jahren in New Avignon geboren, wenn man die Zeit von New Avignon zugrunde legt. Die Uhren an Bord haben anders getickt. Nun laufen sie wieder synchron zu seiner Heimat. Man hat hier an Bord den Kalender fortgeführt. Danach hätte er heute Geburtstag und wäre danach 69 Jahre. Obgleich er nun gut dreißig Jahre auf dem Raumschiff ist, ist er vielleicht nur um vier oder fünf Jahre gealtert. Er sieht aus wie Anfang vierzig. Er wird versuchen, mit seinen Freunden ein bisschen zu feiern. Es steht noch ein lästiger Besuch bei Florence Scheffener, einer der Bordärzte an. Er zündet sich eine Zigarette an, um sich auf ihre Moralpredigt vorzubereiten. Sie sagt immer dasselbe. Er soll seinen Alkoholkonsum und den der Zigaretten reduzieren. Robert hält Florence zugute, dass sie kein Kopftuch trägt und diesen religiösen Firlefanz, der an Bord inzwischen weit verbreitet ist, nicht mitmacht. Sie ist einer der vier Frauen von Hugo Scheffener und hat offensichtlich kein Gespür dafür, dass diese Vielehe ungerecht ist. Die Visiten nach den Untersuchungen sind meistens kurz. Noch ein kräftiger Lungenzug, dann klopft er an die Tür der Arztkabine. „Hallo Robert“, begrüßt ihn die hübsche Frau, die deutlich jünger ist als er. Vielleicht ist sie schon sechzig. „Hallo Florence, willst du mir wieder Moralpredigten halten?“ - „Diesmal ist es Ernst, Robert!“ Sie sehen sich in die Augen, ihm wird etwas mulmig. „Deine Fettleber hat sich entzündet. Der Zustand der Leber könnte noch reversibel sein, aber wenn du weiter so trinkst wie bisher, dürftest du die Erde nicht mehr erleben.“ - „Habe ich eine Leberzirrhose?“ - „Nein, noch keine Zirrhose, aber vielleicht ist es nicht mehr weit dahin. Du hast eine Fettleber-Hepatitis. Das ist gefährlich genug.“ - „Das heißt?“ - „Das heißt, ab sofort kein Alkohol mehr!“ - „Das überlebe ich nicht!" - „Alles andere überlebst du nicht“ - „Aber ich bin doch noch jung“ - „Du scheinst es mächtig übertrieben zu haben. Nicht nur auf diesem Raumschiff“ - „Und die Lunge, droht da vielleicht noch ein kleines Karzinom?“ - „Eins nach dem anderem, werde erstmal trocken, genieße den neuen Zustand, dann solltest du dich ums Rauchen kümmern“ - „Ist das alles ein Witz?“ - „Wenn du die Erde erleben willst, solltest du aufhören! Wenn du ehrlich zu dir selbst wärst, würdest du zugeben, dass du nicht in einer so guten körperlichen Verfassung bist. Geht es dir gut, Robert?“ - „Ich achte nicht so sehr drauf. Ich habe genug mit meinen psychischen Problemen zu tun“ - "Das verkompliziert ja noch die Situation. Psychische Probleme und körperliche Probleme überlagern sich. Erschöpfungszustände können eine Folge einer Depression, eines Hang-Over oder auch meinetwegen einer Leberentzündung sein.“