Auf Inseln (German Edition)
der Liebe die Realität verdrängt. Wir waren im Plan und nun planlos, mehr oder weniger mittellos. Es reichte noch für Alkohol und Tabak. Er wusste, wo die Unterkunft von Pamela war, hatte allerdings nicht im Sinn, sie dort aufzusuchen. Ich wusste nicht, wo Esmeralda schlief, wenn sie nicht bei einem Kunden war. Ihre neue Rolle würde mit Sicherheit leichter ausfallen, weniger dramatisch. Wir spekulierten darüber, ob der Geheimdienst die beiden Frauen vorübergehend an einem anderen Ort eingesetzt hatte, vielleicht in einem Nachbarstädtchen von Frisco. Offensichtlich nahmen wir uns zu wichtig. Neurotisch schaute ich in die Szenerie, um „Paola“ zu entdecken, malte mir eine Art Wiedersehensfreude aus. Wir sahen die schönen Frauen, die irgendwo ihr T hatten, obgleich sie mich – im Gegensatz zu Paul – nicht mehr reizten, offenbar eine Art von Geisteskrankheit, die vorübergehen würde. Wir sahen die Touristen mit den Nutten turteln, was sowohl für Paul und mich frustrierend war, wir sahen diese malerischen Strände mit ihren kleinen Hotels, in denen man sich vergnügte. Wir waren nichts anderes mehr als frustrierte Beobachter einer käuflichen Idylle, in Katerstimmung, obwohl unser Urlaub noch längst nicht vorbei war. Diesen vorzeitig abzubrechen wurde von uns diskutiert, und wenn sich ein Quäntchen Realismus in meine Betrachtungsweise einschlich, tendierte ich zu so einer Lösung. Wir mussten zurück nach Athens, uns um lukrative Jobs kümmern, damit wir uns die bescheidenen Vergnügungen von Athens leisten konnten. Paul brachte Katharina und Margarete ins Spiel. Es würde alles werden wie vorher, wir würden abends in Kneipen lungern, unsere Spielchen spielen, von Frauen träumen, unser Glück im Rausch suchen und manchmal auf Frauen wie Katharina treffen, die uns mit ihren Kräutern in den Wahnsinn treiben würden. Wenig realistisch gestimmt, wollte ich hier noch alles wenden. Ich hatte die Fluchtpläne, die ich mit „Paola“ geschmiedet hatte, noch im Kopf. „Alles Quatsch“, meinte Paul, der sich allerdings auch nicht durchringen konnte, sofort abzureisen. Im Übrigen kriegte man nicht oft die Chance, einen Urlaub in New Havanna zu verbringen. Der Sturz in die Realität tat irgendwie weh. Nüchtern betrachtet hatte ich in diesem Urlaub alles erreicht, was ich erreichen konnte, das Remake eines Märchens vergessener Tage, das mein Denken nicht unwesentlich beeinflusst hatte. Natürlich würde ich wieder der Alte werden, realistisch und geil auf Messdienerinnen. „Umwerfend“, bezeichnete Paul sein Erlebtes. Wir dachten dabei eigentlich an Selbstverständlichkeiten. Ausgelebte Sexualität und Verliebtheit sollten Selbstverständlichkeiten im Leben eines jeden sein. Wir waren wie Ausgehungerte, neigten zu übertriebenen Empfindungen. Wie war das Leben in einer Gesellschaft, in der jeder satt war? Unsere Pfaffen waren satt. Waren sie glücklich? Zu der Art Alltagsphilosophie war ich noch nicht bereit. Paul erzählte mir nie, wie sehr ich ihm auf die Nerven gefallen war. Vielleicht verstand er mich und war nur ein bisschen genervt. Er machte Witze. Wir müssten auf weitere Missionen, ja sogar an einer Helena-Mission teilnehmen, dem Wahnsinn ins Auge sehen, damit wir uns weitere Urlaube in New Havanna leisten konnten. Er stellte mir eine Trilogie in Aussicht, das Treffen auf einen dritten Klon, möglicherweise ein Happy End. Er malte mir aus, was passieren könnte, wenn New Avignon und New Havanna sich vereinigen würden, entwickelte eine blumige Phantasie, die mir sogar ein paar Lacher abringen konnten. Ich versuchte ihm klar zu machen, dass ich ein schlechter Umgang für ihn sei. Er müsse seine Laster einschränken, sich mehr in die klerikale Gesellschaft einfügen, opportunistisch sein und denunzieren, dann hätte er gute Chancen, heiraten zu können. Er sei noch jung und müsse bereit sein, die schmutzigen Spielchen mitzuspielen. Als Erstes müsse er mich in die Pfanne hauen. Nur durch Verrat käme man zum permanenten Fick. Meine Argumente waren nicht so leicht zu entkräften. Ich wusste, dass ich ihn mit solchen Provokationen nicht verletzte und im Übrigen war ich sicher, einen Oppositionellen vor mir zu haben. Ich wusste gar nicht, warum sich Paul mit dem Opportunismus so schwer tat, immerhin glaubte er an Gott. Gottesglauben kombiniert mit Verlogenheit und schon ging es dem Schwanz besser. Seine Entwürfe reichten nur, mir eine Trilogie auszumalen und schizophrene Abenteuer bei Helena.
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