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Auf Inseln (German Edition)

Auf Inseln (German Edition)

Titel: Auf Inseln (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel von Treppen
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würde, weil sie sich vorbildlich verhalten hatten und man ihnen nichts vorwerfen konnte - warum sie uns nicht gemeinsam in einer Spezialeinrichtung untersuchten, habe ich nie verstanden. Paul saß vermutlich in der Tinte und ich hoffte, er würde sich etwas geschickter verteidigen als ich mich. Er hatte ähnliche Vergehen begangen und ich wusste nicht, was ein ärgeres Vergehen war: Nicht an Gott zu glauben oder ein Gottesbild zu haben, dass in vielen Punkten von dem der offiziellen Theologie New Avignons abwich. Wer von uns hatte die gefährlicheren Ansichten? Offensichtlich wurden durch die Verhörtechni ken schnell klar, dass ich nicht einem irgendwie gearteten Untergrund angehörte. Man wollte immer wieder so einen Zusammenhang konstruieren, aber traute mir in meinem Zustand nicht zu, mich derart zu verstellen, um diesen hypothetischen Zusammenhang zu verschleiern. Es war offenbar, dass ich an sich harmlos war. Ich erzählte mehrfach meine Lebensgeschichte, über den Anfang meiner Karriere und wie bitter es für mich gewesen wäre, nicht mehr in meinem Beruf arbeiten zu können. Dass ich schon vorher so eine Art schwarzes Schaf gewesen war, wussten sie natürlich. Vermutlich wussten sie mehr über mich als ich selbst. Die Frage war, was sie mit mir anstellen würden. Sie wären in der Lage meine Aussagen zurechtzurücken, die Geschehnisse auf Aurelia einzuordnen. Welcher Schaden war größer? Mich gebrochen und mit Auflagen in Athens weiterleben oder mich verschwinden zu lassen? Trotz meiner offensichtlichen Harmlosigkeit verliefen die Verhöre weiterhin mit Härte, ihre scharfen Fragen hallten weiterhin in meinem Hirn nach. Gott echote in mir und es machte mir den Eindruck, dass er dadurch etwas realer wurde.
     
                                                                                    
     
    Die Tage vergingen, ich wiederholte meine Aussagen zu Aurelia, wurde vorsichtiger, vermied es Dinge zu plappern, die mir als Gotteslästerung ausgelegt werden konnte. Ich versuchte, jegliche Gottesleugnung zu vermeiden und stritt jegliche ab. Ich gab mir Mühe, die Verhältnisse auf Aurelia, so wie ich sie im Gedächtnis hatte, möglichst genau zu beschreiben. Dies tat ich sehr oft, ohne mich in Widersprüche zu verwickeln. Ich hatte Angst, Angst vor dem, was sie mit mir anstellen würden, Angst vor meiner speziellen Zukunft. Würden sie mich nach beendeten Verhören töten? Womöglich in einem dieser Keller, die sich unter der Station befinden musste. Während ich versuchte mit taktischem Geschick meine Verhöre oder meine Behandlung, wenn man so will, zu gestalten, zu beeinflussen, wuchs mein Argwohn, meine Paranoia gegen über allem. Ich war so weit, nichts und niemandem zu trauen. Die Irren im Schlafsaal standen vermutlich alle im Dienst des Geheimdienstes von New Avignon. Ich misstraute dem übel schmeckenden Essen, argwöhnte, es könnte vergiftet sein, obgleich ein bisschen Menschenverstand mir hätte sagen können, dass den Klerikalen jeder Weg offen stand, um mich verschwinden zu lassen. Ich vermutete, sie würden mich bewusst paranoid machen, damit sie mich zerbrechen konnten, damit ich später als Aussätziger der Gesellschaft vor allem und vor jedem Angst hätte, keinerlei Gefahr für die Hierarchie. Ich würde ein Wurm sein, der nur lebte, weil er zu feige war, sich das Leben zu nehmen. Wenn in diesen Tagen Paul mit mir zusammengelegt worden wäre, ich hätte ihm misstraut und in ihm einen Agenten des Staats gesehen. Sie fragten mich zu Paul und ich versuchte ihn als aufrichtigen jungen Mann darzustellen, jemand der sich für Gott und New Avignon begeistern konnte. Sie fragten mich danach, ob ich schlechter Einfluss auf Paul gehabt hätte und ich verteidigte mich, dass mir dies nie bewusst gewesen sei. Paul wäre ein junger Mann, dessen Intelligenz ich schätzen würde. Sie wollten jedes Detail wissen, auch über unseren gemeinsamen Urlaub in New Havanna. Während ich mir einerseits sicher war, dass Paul alles gestanden hatte, was er gestehen konnte, schon längst ein Agent der Klerikalen war, der womöglich mit ihnen gemeinsam meine Aussagen analysierte und auseinandernahm, versuchte ich ihn zu verteidigen, auch indem ich mich zusätzlich belastete. Gestanden hatte ich eh alles; ich versuchte, mit meiner Paranoia zu relativieren. Ich hatte in den ersten Verhörtagen Ungeheuerliches gesagt. Ich machte nun merkwürdige Versuche

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