Auf Inseln (German Edition)
wagen würden, sich zu erheben. Vielleicht konnte man sie doch überrumpeln, überlisten, unentdeckt den Widerstand praktizieren. Jedenfalls hatte ich nicht vor, zum Märtyrer zu werden. Ich hatte die Auflage bekommen, über die Mission nach Aurelia zu schweigen. Sie war in keiner Zeitung, in keiner Radiosendung erwähnt worden. Ich hatte ein kleines Sümmchen bekommen, was ich konsequent in Alkohol umsetzen würde. Ich machte an diesem Tag noch einen Abstecher ans Meer, schaute hinüber in Richtung New Havanna, von dem ich keine Hilfe erwarten konnte, auch wenn ich mir schon so vorkam, wie ein ferngesteuerter Saboteur im Auftrage New Havannas zu denken, zu planen und zu handeln. Dort irgendwo lag diese zweite totalitäre Gesellschaft, die ich aber mehr mit Liebe und erfüllter Lust verband, reduzierte wie üblich und wie fast jeder in meinem Denken diese Welt auf zwei größeren Inseln, war mir aber manchmal darüber bewusst, dass diese Welt größer war, dass dies für Menschen eine sehr unheimliche Welt war, mit einem Meer, von dem man sich nicht ernähren konnte und einem Land, überwiegend mit Wesen bevölkert, die uns den Verstand rauben konnten. Wo bestand ihre Verbindung zu den Aurelianern? War es vielleicht möglich bei ihnen zu leben? Konnte es dort zu Inkarnationen wie Gottes Tochter kommen? Ich trank wie üblich Wein, der in seiner Herstellung schon kräftig nachgezuckert werden musste, damit ein ansprechender Alkoholgehalt entstehen konnte. Es war noch hell, als ich die Kneipe zu unserer üblichen Zeit betrat. Ich sah Paul, der mit jemandem Go spielte, aber auch Katharina, die sich an einem Tisch mit mehreren Männern und Frauen befand. Ich ging hinüber zu Paul, begrüßte Margarete, bestellte bei ihr Bier und ein Championschnitzel. Paul führte die weißen Steine, aber ich konnte nicht sagen, wie viele Vorgaben er seinem Gegner gegeben hatte. Da der Mittelstein fehlte, mochten es maximal acht Steine sein. Er begrüßte mich enthusiastisch, blieb aber bei seinem Spiel und ich beschäftigte mich vorerst mit Bier und meinem Essen, was recht schnell kam. Ich kannte den zweiten Spieler nicht. Vermutlich handelte es sich um einen Agenten. So erklärte ich mir auch die Anwesenheit von Katharina. Ich war mir sicher, dass sie sich im Laufe des Abends an uns ranmachen würde. Ich war nicht abgeneigt, dieses Katz und Mausspiel mitzuspielen. Paul beendete das Go mit einem knappen Sieg. Es musste sich um eine ernsthafte Partie gehandelt haben. Der zweite Spieler bedankte sich, verabschiedete sich höflich und verschwand aus der Kneipe, ohne zu bezahlen, wie mir auffiel. Wir hatten uns soviel zu erzählen, was wir im Rahmen dieser Kneipe gar nicht konnten. Womöglich waren unsere Wohnungen inzwischen verwanzt, sodass wir uns nur an Plätzen völlig austauschen konnten, in denen keine Mikrofone auf uns gerichtet wurden. „Und bist du nun wirklich besser geworden?“ - „Ja, ich spiele drei Steine besser“ - „Ich wusste, dass man im Traum lernen kann“ - „Das war kein Traum, aber wie geht es dir?“ - „Sie haben mich heute Morgen entlassen. Es war schlimm“ - „Ja, es war schlimm, aber jetzt beginnt eine neue Zeit“ - „Glaubst du, dass noch etwas folgt?“ - „Ich denke, sie lassen uns in Ruhe. Aus irgendeinem Grund lassen sie uns in Ruhe.“ Wir tranken an unseren Bieren, rauchten und Paul guckte auffällig nach Katharina rüber. „Ich glaube, ich kann dir einen Job besorgen, im Hafen, die Firma gehört zur Scheffener-Gruppe.“ Ich hörte interessiert zu, während Katharina sich aus ihrer Runde löste und Anstalten machte, an unseren Tisch zu kommen. Ich war sicher, heute noch ihr offenes Haar zu sehen.
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Mit einem komplizierten Manöver ist die Finder in die Umlaufbahn um die Erde gebracht worden. Ab dieser Zeit herrscht Schwerelosigkeit in ihr, ungewohnte und erschwerte Bedingungen für die Besatzung. Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme sind nun eine andere. Die elliptische Bahn hat einen durchschnittlichen Abstand von 350 Kilometern zur Erdoberfläche. Es gibt keinen Kontakt. Die Finder umkreist die Erde in ungefähr anderthalben Stunden. Grundsätzlich ist es möglich sie in Eigenrotation zu versetzen, sodass an der Spitze des Raumschiffs halbwegs normale Gravitationsbedingungen herrschen. Hugo Scheffener hat dies aber bisher nicht vorgesehen. Kein Kontakt, die erste bittere Realität, mit der sie
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