Auf Inseln (German Edition)
dies zurechtzurücken; manchmal hatte ich den Eindruck, dass sie sich darüber amüsierten. Eine Schwäche gestand ich ein: Frauen. Ich wäre verführbar und hätte meinen Freund Paul zu Dingen verleitet, die nicht gut für uns beide gewesen wären. Gloria wäre so ein Sündenfall gewesen, ich versuchte die Voraussetzungen zu schildern, beschrieb zum xten Male Gottes Tochter, ihre körperlichen Attribute, und ich konnte in ihren Augen erkennen, dass sie die Story ganz gerne hörten, vermutlich wollte etwas in ihnen Ähnliches erleben. Ich betonte immer wieder nach diesen pikanten Details, dass wir uns nicht bewusst gewesen wären, dass wir den Einflüssen Satans ausgesetzt waren. Mein Vergehen wäre, dass ich, verblendet, Paul mit Satans Hure zusammengeführt hätte. Solche Geständnisse schien man wohlwollend aufzunehmen. Ich war ein Opfer von Satans Agentin geworden, die unsere Mission sabotieren wollte. Während ich versuchte, diese Version der Geschichte zu meiner eigenen zu machen, wunderte ich mich indessen über die Dummheit von Satans Hure. Ich war teilweise wirklich davon überzeugt, dass sie sich inkarniert hatte, um mich zu vernichten. Ich versuchte klar zu stellen, dass ich in redlicher Absicht gehandelt hätte, als ich die Aurelianer gebeten hätte, bleiben zu dürfen. Ich wollte Botschafter der Menschheit sein; wer hätte es besser sein können? Ich gab zu, dass mich Aurelia in irgendeiner Weise verblendet hätte, wie sonst hätte ich zu solchen Ansichten kommen können? Meine Strategie war insofern erfolgreich, dass die Anzahl der schmerzhaften, elektrischen Schläge geringer wurde. Dennoch misstraute ich ihnen, unterstellte ihnen, dass sie über den geeigneten Zeitpunkt nachdachten, mich umzubringen. An sich würden das andere machen, die Psychiatrie war nur die Vorhölle, ein Vorgeschmack für das, was mich in einem Knast für Oppositionelle erwarten würde. Ich hatte das Problem, meinen Glauben an Gott zurechtzurücken, hatte ich doch Tage zuvor geäußert, Gott sei eine Witzfigur und dass er an sich gar nicht existieren würde. Die Untersuchenden hatten natürlich erstmal keine Ahnung, wie verrückt uns der Kontakt mit Aurelia gemacht hatte. Ich hoffte, dass es die Bibeltreuen auch richtig erwischt hatte. Verbreiteter Wahnsinn würde mich schützen. Vielleicht hatte der eine oder andere etwas mit Gloria gehabt. Der Trip nach Aurelia hätte meinen Gottesglauben gefährdet, die Hure hätte ihren ganzen Körper eingesetzt, um mich von Gottes Pfad und der Kirche Avignons wegzubringen. Zu gerne hätte ich geglaubt, dass sie Gottes Tochter sei, unbewusst hätte ich aber geahnt, dass sie die Hure des Teufels sei, aber ich hätte alle Warnzeichen übersehen, weil ich Lust erlebt hätte. Paul wäre im Übrigen ein Mitläufer, im gewissen Sinne völlig unschuldig, wenn man mir auch eine Schuld zusprechen könnte. Über uns wäre die absolute Verwirrung gekommen und nur so könne meine Aussage verstanden werden, dass ich nicht an Gott glaube, weil dieser mir keine Frau an die Seite gestellt habe. „Selbstverständlich glaube ich an Gott, an Gott Vater, Jesus Christus und den Heiligen Geist, Drei aber dennoch eins. Sie wussten, dass ich wieder in der Lage war, wieder zu lügen, aber sie ließen mich lügen. Niemand lügt so gut wie ein Paranoiker. Was würden sie mit mir machen? Manchmal beruhigte mich die Ansicht, dass sie ohne triftigen Grund einen Zeugen des Kontakts mit den Aurelianern nicht töten würden. Ich war auch in der Zukunft noch wertvoll. Die Echos in meinem Kopf klangen langsam ab, und das führte mich zurück zu einer Realität, wenn sie denn auch in der Psychiatrie begann. Ich fragte nach einem Einzelzimmer, aber diese gab es wohl nicht, sodass ich in der verhörfreien Zeit meine Zeit mitten im Chaos der geschundenen Seelen verbringen musste, die den Schlafsaal mit mir teilten.
Nach einigen Wochen wurde ich aus der Psychiatrie entlassen. Ich wurde nicht in einen Knast überführt, war gewissermaßen frei, so frei, wie man in New Avignon sein konnte. Dies konnte nur von vorübergehender Dauer sein. Ich wusste nicht, ob mir irgendwann noch ein öffentlicher oder geheimer Prozess gemacht wurde. Verschwinden lassen konnten sie mich auch ohne Prozess. Meine Wohnung fand ich vor, wie ich sie verlassen hatte. Es gab keine Anzeichen für eine Durchsuchung. Ich fand einen Brief von Paul vor, der schrieb, dass es ihm wieder gut ginge, dass er mich unbedingt treffen wollte und dass er
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