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Auf Inseln (German Edition)

Auf Inseln (German Edition)

Titel: Auf Inseln (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel von Treppen
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abends in der „Gemütlichen Ecke“ zu finden sei. Die Echos in meinem Hirn waren verschwunden und man hatte mir keine Auflagen gemacht, Psychopharmaka zu nehmen. Ich sollte mich regelmäßig bei einem bestimmten Arzt melden, der mit Sicherheit auf der Gehaltsliste des Geheimdienstes stand. Es war Spätsommer in New Avignon und die Temperaturen in Athens angenehm warm. Das Erste, was ich in meiner Wohnung tat, war mir einen Drink zu genehmigen und eine Zigarette anzuzünden. Seit meiner Rettung aus der St. John hatte ich nicht mehr geraucht und der letzte Alkohol lag vor Beginn der Expedition, rechnet man die orangenfarbenen Getränke nicht mit, dessen Namen ich mir nie merken konnte. Wieso sollte man mich in ein Gefängnis stecken? New Avignon war ein Gefängnis. Ich zog wieder durch die Straßen von Athens, betrachtete jede Kamera mit Argwohn. Jede Bewegung würde aufgezeichnet und ich versuchte ein demütiges Gesicht zu machen, wenn ich aus nahem Abstand in die Kamera blickte. Meine erste Pflicht war es natürlich eine Messe aufzusuchen und ich wählte die Kathedrale von Athens. Während ich äußerlich die Rolle eines gebrochenen Mannes spielte, regte sich in meinem Innern ein Widerstand, der selbst mir fremd war. Gedanken spielten damit, eine Widerstandsbewegung zu gründen oder mich einer anzuschließen, wenn ich Spuren der Existenz einer solchen Bewegung gewahr würde. Meine Wut auf die Kirche und ihrer Gesellschaft war nie größer. Das Innere der Kathedrale überfiel mich mit ihrer Pracht und ihrem Glanz. Ich musterte die Heiligen und Engel an den Wänden, teilweise Skulpturen, teilweise Wandmalereien, war mir sicher, dass diese Wesen nichts von meinen Plänen ahnten, die Kathedrale in die Luft zu sprengen. Ein symbolträchtiger Anschlag, der zu einem Zeitpunkt ausgeführt werden musste, wenn niemand in Gottes Haus anwesend war als Gott selbst und seine Heiligen. Ein Anschlag durfte auf keinen Fall die Bürger treffen, da ich damit den Hass der gesamten Bevölkerung auf mich gezogen hätte. Die Messe war eine prächtige Theateraufführung, mit einem imposanten Hauptdarsteller, dem Bischof von Athens, ein Mann in farbigen Gewändern und von großer Statur und natürlich mit neun besonders schönen Schauspielerinnen, den Messdienerinnen. Auch ihr Anblick konnte mich nicht besänftigen. Die Messdienerinnen der Kathedrale waren die schönsten in ganz Athens. Was hatte der Schöpfer dieser Liturgie sich dabei gedacht, die jungen Frauen so freizügig zu kleiden? Auf den Straßen war es für die Frauen verboten, derartige Ausschnitte zu tragen. Die weißen Brüste sprangen mir immer ins Auge, und als ich an diesem Tag die Kommunion nahm, war ich in meinen Gedanken einen Augenblick friedlich. Diese Kathedrale sollte von der Macht New Avignons zeugen, aber ich war davon überzeugt, dass wir verglichen mit den Möglichkeiten der Aurelianer Winzlinge waren. Sie hatten gesagt, im Zweifel würden sie die Aborigines beschützen. Niemand hier konnte sich vorstellen, wie sie dies machen würden. Ich nahm ihnen übel, dass sie mir kein Asyl gewährt hatten. Das Leben auf Aurelia wäre ein seltsames gewesen, vielleicht auch ein langweiliges, aber mit Gloria und weiteren Inkarnationen von Aphrodite hätte ich es dort gut aushalten können. Diese Märchenwelt war für mich nicht bestimmt, sondern dieser totalitäre Kirchenstaat, der mich daran hinderte, mich mit meinem Leben in allen essentiellen Dingen selbst zu verwirklichen. Dabei gab es noch nicht mal ein geschriebenes Gesetz, das mir verbot, eine Frau meiner Vorstellung zu heiraten, es war eher ein ungeschriebenes, ökonomisches Gesetz. Diese Gesellschaft wurde von Männern beherrscht. Die Mächtigen und Reichen nahmen sich von allem, in Hülle und Fülle. Hinzu kam die restriktive Moral, die für alle Habenichtse galt. Ich träumte immer von diesen Busen, die ein wichtiges Fundament der Gesellschaft sein mussten, ihre Brüste nährten die Mächtigen mit allem Nötigen. Mein Hass auf das System war übermächtig, sodass ich drohte, den Bezug zum Machbaren zu verlieren. Im Prinzip war ich eine gebrochene geschundene Kreatur, die sich ein paar aufmüpfige Gedanken machte, weil sie bei aller Paranoia hoffte, dass ihre Gedanken noch nicht gelesen wurden. Das theokratische Regime brauchte seine Paranoiker, züchtete seine Paranoiker, die sich von allem und jedem verfolgt fühlten, mit der richtigen Mischung aus Angst und Achtung vor dem langen Arm der Kirche, sodass sie nie

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