Auf Inseln (German Edition)
konnte. Nun hatte sie andere Aufträge, trieb sich aber vielleicht noch in der Stadt rum. Aber jemand wie ich konnte nicht als harmlos eingestuft werden, dafür hatte ich den falschen Beruf. Mein Wissen hätte dazu dienen können, eine ideologische Keimzelle zu bilden, um von dort aus eine Revolution anzuzetteln. Deswegen kümmerte man sich vielleicht um mich. Ich blieb unter Beobachtung, man hatte mich im Griff, ich aber war viel zu opportunistisch und zu feige für solch ein Ansinnen. Wer sie auch immer war, ich vermisste sie, vermisste es an ihren Joints und an ihrer nackten Brust zu saugen. Ich war kein Revolutionär und man mochte mir die Huren von New Avignon und die von New Havanna schicken, um dies festzustellen, ich hätte es nicht abgelehnt, mir eher gewünscht, wenn auch die konkrete Phantasie und Paranoia in einem und der Wahnsinn öffnende Rausch unangenehm sein konnte. Ich war kein Revoluzzer, sondern jemand, der dem Wahnsinn entgegentreten wollte, für ein bisschen gesellschaftliche Anerkennung und um ein bisschen Taschengeld für seine bescheidenen Vergnügen zu verdienen. Ich war etwas verwirrt. War dieser Weg wirklich der richtige, um wieder zur gesellschaftlich geachteten Stellung zu kommen? Wollte ich wirklich wieder Dozent für Geschichte der Erde werden? Wollte ich Pfaffe werden? Als Dozent und Pfaffe hätte ich ein sinnenfreudiges, luxuriöses Leben führen können, aber es war vergebens. So einer wie ich konnte kein Pfaffe werden, ich besaß zwar hinreichend Scheinheiligkeit, aber meine Verstellungskünste waren nicht perfekt genug, um die Einstellungstests zu bestehen, um die Detektoren zu täuschen. Ich wusste nicht, wie viele Kotaus nötig waren, um mich meinem Paradies näher zu bringen. Würde mein Status als Versuchskaninchen als Kotau gewertet, als ein Zeichen, der Gesellschaft zu dienen? Mir fröstelte bei dem Gedanken, vom Meer kam ein kühler Wind auf, der mich daran erinnerte, dass die Jahreszeiten wechselten. Das unruhige Meer konnte mir keine Antwort auf meine Frage geben. Meine Gedanken vermieden es, das Thema Paola zu streifen, die dort lebte, wo es wärmer war. Ein Urlaub auf New Havanna! Alles würde ich dransetzen, um sie wiederzusehen. Ein ganz anderes Motiv, mich dem Wahnsinn auszusetzen. Gab es ein drittes Motiv, getrieben von dem Wunsch nach Selbsterkenntnis? Nach meiner ersten schlechten Erfahrung ergriff ich nicht erneut zum Joint um den schizoiden Rausch samt Selbsterkenntnis zu bekommen, sondern um meine Chancen bei Katharina zu haben. Ich war davon überzeugt, dass die Pillen oder was auch immer sie uns verabreichen würden, mich nicht vor dem Einfluss der Aborigines schützen könnte. Ich würde von einem schrecklichen mentalen Zustand befallen, der zwar temporär war, aber bis zu meinem Lebensende nachwirken konnte. Und mir schwebte Größeres vor. Ich sah mich als Mitglied einer Expedition nach Aurelia, um dieses Riesengeheimnis in unmittelbarer kosmischer Nähe zu lüften. Was verbarg sich auf Aurelia? Sicherlich Zivilisation, möglicherweise aber für uns Menschen endgültiger Wahn, denn von den Rückkehrern der ersten Expedition wusste man nicht viel. Man fand nie raus, was sie gesehen hatten. Es gab Fotos aus beträchtlichem A bstand, die auf eine fremde Kultur deuteten. Dass Aurelia belebt war, konnten auch unsere Astronomen bestätigen. Die Signatur war eindeutig. Die Rückkehrer von vor zwanzig Jahren waren womöglich noch psychisch gestört, neigten zu optischen und akustischen Halluzinationen, die ihnen alles Mögliche erzählten, nur nicht die bischöflichen Weisheiten. Sie litten vielleicht nicht dauernd darunter und ihre Teilamnesie war hartnäckig. Hatten sie Kontakt? Plante man eine weitere Expedition? Plante man die Zerstörung Aurelias? Womöglich ein fataler Fehler, der den eigenen Untergang provozieren konnte. Man wusste gar nichts. Ich aber wollte mich mit Aborigines-Wahn zu Höherem qualifizieren.
Möglicherweise brachte mich das Experiment mit den Aborigines Paola näher, wenn ich vielleicht auch nur die Chance hatte, ihr zuzusehen, wie sie anderen Touristen den Urlaub verschönerte. Womöglich traf ich auf einen Klon von ihr, der in mir alles wachrufen würde, was ich an Gefühlen für Paola entwickelt hatte und dieser Klon würde mich nicht kennen. Konnte ich mit einer Paola II nachts an den Stränden von New Havanna das wiederholen, was ich mit der ersten Paola erlebt hatte? Es war in New Avignon bekannt, dass auf der
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