Auf Inseln (German Edition)
ein Problem mit der Psyche habe. Ich habe eine robuste Persönlichkeit.“ Ich versuchte zu lächeln. Glücklicherweise war in diesem Büro kein Lügendetektor, den man mir anschließen konnte. „Sind sie schon mal gestochen worden?“ - „Gestochen?“ - „Sind sie schon mal von der Avignonwespe gestochen worden?“ - „Zweimal!“ - „Und wie war es?“, - er lächelte mich an. „An das erste Mal kann ich mich praktisch nicht mehr erinnern. Das zweite Mal war erst kürzlich!“ Ich lächelte zurück, ohne zu sehr rebellisch wirken zu wollen. „Wo wurden sie behandelt?“ - „Ich wurde nicht behandelt. Ich war zu Hause.“ - „Aber sie sind verpflichtet, sich behandeln zu lassen.“ - „Es kam zu überraschend, ich hatte dazu keine Möglichkeit mehr.“ - „War es schlimm?“ Ich wunderte mich über seine unwissenschaftliche Ausdrucksweise. „Es war schon heftig, auch das Fieber, aber schlimm würde ich nicht sagen, es betraf mich eher körperlich als psychisch“ - „Aber warum haben sie sich nicht in ein Krankenhaus begeben?“ - „Ich war gelähmt.“ Ich sah ihm an, dass er mir nicht glaubte. „Trinken sie Alkohol?“ - „Ja!“ - „Sind sie Alkoholiker?“ - „Nein, ich bin bestimmt kein Alkoholiker“ - „Hatten sie Gedächtnislücken nach einem Alkoholrausch?“ - „Nein, nicht dass ich wüsste.“ Er machte wieder an irgendeiner Stelle seines Bearbeitungsformulars ein Kreuz. „Nehmen sie illegale Drogen?“ - „Selbstverständlich nicht!“ Er schien zufrieden zu sein. „Wie stehen sie zur Kirche, zu unserer Gesellschaft?“ Bei dieser Frage schien er mich mit sehr neugierigen Augen anzugucken. Er wusste, wer ich war. „Ich glaube an Gott, Jesus und den Heiligen Geist. Ich glaube an unsere Kirche, an ihre Güte und dass sie das Geschick hat, unser Schicksal in die richtigen Bahnen zu lenken. Ich bin ein gläubiges Mitglied unserer Kirche und gehe jeden Tag in die Messe.“ Mehr Kotau ging nicht, aber ich bekam vermutlich ein Kreuz an die richtige Stelle. „Was halten sie von den Überwachungskameras?“ Wir schauten uns einen Moment an, ohne dass ein Wort gesprochen wurde. „Durch die Kameras fühle ich mich sicher, überall, wo ich mich bewege. Die Kameras sind für mich selbstverständlich, und ohne wollte ich nicht leben.“ Bei dieser Antwort schien er nachzudenken. „In ihrem Fall werden wir davon absehen, einen Intelligenztest zu machen“ - „Es gibt solche Tests“ - „Mit welchem Ergebnis?“ - „Plus 10“ - „Das entspricht ihrer Dozentenstellung. Wenn sie jetzt bitte ihren Oberarm freimachen würden. Ich werde von ihnen eine Blutprobe nehmen.“ Davon hatte Paul mir nichts erzählt. Er hatte das ganze Prozedere vorgestern über sich ergehen lassen. Er nahm einer der Spritzen, die mir schon immer unheimlich waren und ich hoffte, er würde keine mir unbekannte Substanz in den Körper jagen. Stattdessen saugte die Spritze Blut aus meinem Körper. Ich sah dieses rote Etwas, in dem Beweise für die Gesetzesverstöße der letzten Zeit festgehalten waren. „Wann sagten sie wurden sie gestochen?“ - „Vor circa vier Wochen.“ Sie würden mein Blut auf Rückstände von Wespengift untersuchen, obwohl sie das mit anderen Proben schon millionenfach gemacht hatten. Ich wurde von ihm verpflastert. „Habe ich Chancen?“ - „Ich denke sie haben gute Chancen. Sie werden in einer Woche von uns hören.“ Ich verabschiedete mich höflich, in der Hoffnung, dass meine Bewerbung Erfolg haben würde und dass sie es unterlassen würden, mein Blut nach Rückständen von illegalen Drogen zu untersuchen.
Es gab mehr Fragen des Studenten, an die ich mich nicht erinnerte. Wenn Paul und ich uns in den Kneipen trafen, war Projekt Epsilon natürlich Thema Nummer eins; Katharina blieb weiterhin verschwunden. Der Staat besaß eine Dokumentation unserer Verfehlungen in Form von Blutproben, ein weiterer Einsatz der Undercoveragentin war nicht nötig; es war ja auch zu offensichtlich, dass unser Freundeskreis nicht Keimzelle eines umstürzlerischen Versuches war. Wir waren harmlos. Katharina hatte allerdings nie mit uns über eine neue Gesellschaft gesprochen. Unsere Absichten bei den Treffen waren rein hedonistischer Natur, wenn ich auch nicht umhin kann, zuzugeben, dass bei mir ein unbekannter Zug von Masochismus dazu kam. Das Spiel mit der Paranoia. Wir steigerten uns in Diskussionen hinein, bei möglichen Expeditionen nach Helena und Aurelia dabei zu sein, auf Wahnsinn
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