Auf Inseln (German Edition)
andere ist.“ - „Ich denke, er denkt zusätzlich an das Eine“, antwortet Vanessa. „Jetzt fragen wir uns natürlich, woran Vanessa denkt. „Hin und wieder an das eine. Ansonsten sehne ich mich natürlich nach Liebe, Geborgenheit, nach einer Familie, dass meine Kinder geborgen und behütet aufwachsen, so will es meine darwinistische Bestimmung, aber das ist ja alles auf diesem Raumschiff nicht möglich, Quatsch, ich will das nicht wirklich“ - „Aber das Eine schon“ - „Man kommt hier schlecht in Stimmung“ - „Wir brauchen vielleicht mehr von diesem Fusel. Dieser Space-Fusel, den wir dank Hugo Scheffeners Gnaden trinken dürfen. Prost, Vanessa. Wir, er vergisst in diesem Moment nicht solidarisch zu sein, würden dir gerne nahe sein.
Ausgesprochen besoffen, durchaus aufeinander freundlich gestimmt, ohne sich aber in dieser bestimmten Weise näher gekommen zu sein, gingen sie auseinander, mit Vanessas Absichtsbekundung im Gepäck, diese Art von Freizeitbeschäftigung wiederholen zu wollen. Pläne, ihre Freundin Sandra an solchen Unternehmungen teilhaben zu lassen, wurden vorerst fallen gelassen, da trotz der Menge Fusel ein gewisser Realismus bewahrt werden konnte, der ihnen sagte, dass diese andere Vorlieben hatte. Go spielen sei mit ihr ja möglich, bemerkte Paul.
In seiner Kabine zurück, schläft Robert einen unruhigen Schlaf. Ein Gedanke klammert sich daran, dass es schön wäre, Vanessa an seiner Seite zu haben. Sie könnten sich aneinander wärmen, täte gut in der Einsamkeit dieses Weltraums, und obgleich die Finder angenehme Zimmertemperatur bietet, herrscht außerhalb ein abstrakter Winter, eine Art Nacht, tiefschwarz, mit Temperaturen im dreistelligen Minusbereich. Und man hat keine Luft zu atmen. Robert träumt von der Sonne New Havannas, von einer gebräunten Strandschönheit, die ihm sehr vertraut ist und von einer Gedankenpolizei, die ihm auf die Schliche gekommen ist. Er muss fliehen, in den Weltraum. Der Traum wird chaotischer, es fließt Blut, unbekannte Frauen kümmern sich um ihn. Der Schlaf verdrängt den Traum und die Reste an Erinnerung, die nach dem Aufwachen übrig blieben, verdrängt der Tag. Robert gönnt sich ein paar Tassen Tee, hat das sichere Gespür dafür, dass gestern viel Alkohol im Spiel war. Er hat Ansätze von Verkaterung, die bei einem Alkoholiker seines Schlages selten sind. Er hat nun den Polizisten zu spielen, aber überhaupt keine Ahnung von seinem Dienstplan. Lächerlich, das Ganze! Sie haben keine Chance der Aufklärung. Die Alibis sind schnell eingesammelt, Julia mag psychologische Gutachten aufstellen und Interviews mit allen Besatzungsmitgliedern führen, man kann im Brainstorming mögliche Motive auflisten, hat er ja alles schon gestern gemacht, sie werden keine Chance haben. Es klopft. Es ist Thomas, der Techniker. Er will ein kleines Ungetüm von Kamera in seiner Kabine aufbauen. „Wozu das?“, fragt Robert. „Ich gehöre doch zur Polizei.“ - „Jeder kriegt so ein Ding in die Kabine.“ - „Ich wette, Hugo Scheffener hat darauf verzichtet.“ - „Bei dem laufen die Fäden zusammen. Es heißt die Bilder in den Kabinen werden nur aufgezeichnet. Sind nette Weitwinkelobjektive. Wir haben einen Irren hier an Bord.“ - „Vielleicht bist du der Irre. Vielleicht bin ich der Irre.“ Thomas guckt Robert verdutzt an. „Es ist keine Zeit für schlechte Witze“ Die Kamera ist schnell arretiert und Thomas hält sich nicht unnötig auf. „In den Gemeinschaftsräumen und den Gängen hängen sie schon. Viel Erfolg beim Ermitteln und einen schönen Tag.“ Als ob es auf der Finder einen Tag gäbe. Es ist immer Nacht. Der Kalender folgt einem Rhythmus, der hier keinen Sinn macht, die biologische Uhr eines jeden ist gestört. Robert versucht, sich seinen Job auszumalen. Es wäre Zeit für eine erneute Hibernation, eine ganz lange Hibernation. Vielleicht sitzt er demnächst zusammen mit Vanessa in einem der Arbeitsräume von Hugo Scheffener und glotzt auf eine Monitorwand. Der an sich langweilige Job könnte Spaß machen, weil er jede Menge Gelegenheit hätte, sich mit ihr zu unterhalten. Wahrscheinlicher wäre es aber, dass sie in Schichtdienst eingeteilt würden und gar keine Gelegenheit mehr hätten, sich zu sehen. Robert versucht Ideen auszuhecken, wie er sich vor dem Job drücken kann. Hat er kein Verantwortungsgefühl? Die
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