Auf Inseln (German Edition)
wieder eine Chance!“ Rehabilitierung und Paola waren die mir bewussten Gründe, an Projekt Epsilon teilzunehmen. Mochte vielleicht das Spiel mit dem Wahn eine weitere unbewusste Triebfeder sein, die mich hier hingeführt hatte. Wir machten ein größeres Lagerfeuer, damit die Kreaturen dieser Welt zu uns angelockt würden, Fluginsekten, Beuteltiere, schlangenähnliche Wesen oder vielleicht sogar Tiere der Erde, die irgendwie auf die Kontinente verschlagen worden waren und die den Einfluss der Aborigines nicht fürchten mussten. Na ja, ich neigte zum Übertreiben, es war um die Mittagszeit und die Signalwirkung des Feuers beschränkt. Vielleicht war es in der Nacht anders, wenn die Kreaturen der Nacht angelockt würden, auf elementare Weise durch die Flammen neugierig geworden. Nachts musste Wache gehalten werden; um nicht böse überrascht zu werden, umringt von eigentlich friedlichen Aborigines, die unserem Schlaf Träume aufdrücken würden, die uns in ein unverständliches Reich des Wahnsinns führen müssten, ohne eine Chance aufzuwachen. Paul und ich würden die erste Nachtwache übernehmen. Wir waren mit Lebensmittel versorgt, hatten unsere eigenen Wasservorräte, die für eine Woche Aufenthalt an dieser Küste reichten. Wir bauten Drei-Personen-Zelte auf. Ich hatte durchgesetzt, dass Paul und ich alleine unterkamen. Zeit für Diskussionen, Zeit für Erinnerungen und Spiele, die ich gegen Paul verlieren würde. Viertelstündlich kam ein Anruf von der Sankt Bonifazius, den wir mit „Alles Ok“ bestätigten. Man hätte gleich unser Beieinandersein als Dauerradioprogramm ausstrahlen können, womöglich wäre ich mit meinen Ketzereien vorsichtiger gewesen. Wir machten Filmaufnahmen von der Umgebung, Fotografien, die auch einen gewissen Seltenheitswert hatten, denn es gab nicht viele von diesen Aufnahmen. Wir waren wie Entdecker, die sich nicht vom Fleck bewegen durften. Womöglich hätte es Sinn gemacht, mit den Booten einen Küstenabschnitt von vielleicht zehn Kilometern zu befahren, immer in Sichtweite zur Sankt Bonifazius, deren Beobachtungsteleskope unsere Unternehmung verfolgten und filmten. Man hatte allerdings nicht zu viel in die Optik investiert; es musste aber tagsüber reichen, mein Tun zu identifizieren. Insofern hatten unsere eigenen Aufnahmen einen gewissen Wert für die Erforschung der Welt, auf der wir leben. Einer von uns war ein gestrauchelter Biologe, der emsig Pflanzenproben sammelte und sich vom Lager am weitesten entfernte. Wir waren angehalten, unsere Eindrücke in einer Art Tagebuch festzuhalten – solange wir konnten. Das alles hätte man mit zwei oder drei Versuchskaninchen durchführen können, aber mit unserer größeren Zahl konnte man vielleicht eher individuelle Unterschiede aufdecken. Wie würden die Frauen reagieren? Eine besondere Gattung von Frauen fehlte hier, die der Messdienerinnen. Zu gerne hätte ich eine wahnsinnige Messdienerin beobachtet, eine, die sich bei Kontakt die Kleider vom Leibe riss und ein Tänzchen aufführte. Man entschuldige meine rüde, vielleicht primitiv wirkende Gesinnung. Ich wusste nicht, ob ich bei Kontakt noch tanzende Messdienerinnen im Sinn haben konnte. Vermutlich würden diese nur beginnen, ganz intensiv zu Gott zu beten. Diese Art von Gedanken schrieb ich nicht in mein Tagebuch. Ohne jemals die Gelegenheit gehabt zu haben, die menschlichen Qualitäten einer Gottesdienerin kennengelernt zu haben – es mochte ja sein, dass sie ja alle von einem dummen, arroganten und oberflächlichen Schlag waren – zehrte ich mich nach ihrer Nähe. Dieser schon tausendfach gedachte Gedanke schien mich zu bedrücken; nicht nur dass ich eine Art Druck und Umklammerung in meinem Kopf spürte - ich machte eine entsprechende Notiz mit Zeitangabe in mein Tagebuch ohne weitere Gedanken von mir zu erwähnen – und es wollten Tränen fließen, während Paul hysterisch auflachte. Ich konnte meine Tränen nicht unterdrücken, während Paul mich schamlos anlachte, vielleicht auslachte. Ich weinte bitterlich, während der Boden anscheinend zu schwanken schien. War ich ein so schlechter Mensch, der sich nichts sehnlicher wünschte, als gegen das sechste Verbot zu verstoßen. Mir war abgrundtief schlecht und ich hatte keinen festen Boden unter mir. „Sie sind hier. Sie sind hier“, prustete Paul hervor, unentwegt lachend. Mir war das alles egal, ich war so traurig. Eine Frau schrie auf und stürzte sich gegen Boden. Die Welt begann sich um mich, der tief verzweifelt
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