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Auf Inseln (German Edition)

Auf Inseln (German Edition)

Titel: Auf Inseln (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel von Treppen
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Funkeln von Helena, wo nach meinem Verständnis die Herren dieses Sonnensystems saßen, erinnerte mich, aber auch jeden Bischof, wie nah die wahnhafte Apokalypse war. Hier auf New Havanna gab es nicht die Avignonwespe und Stiche insektenartiger Wesen waren vergleichsweise harmlos und konnten in Einzelfällen sogar euphorisierend sein. Unsere Vorfahren hatten, warum auch immer, tropische Stechmücken eingeschleppt, die eindeutig das Klima der südlicheren Insel bevorzugten. Womöglich hatten sie sich auf diesem Planeten in soweit angepasst, dass sie die Aborigines piesacken konnten, denn irgendein Lebenssaft musste in ihren Körpern auch fließen. Der Zug bewegte sich an der Ostküste von New Havanna. Irgendwann würden wir in eine Art Passatzone geraten, die den Osten üppiger machte als den Westen. Im Innern der Insel war es recht gebirgig. Das Gros der Bevölkerung lebte in der Nähe des Meeres, aber ohne die Möglichkeit, sich von ihm zu ernähren. Paul und ich hatten ein Abteil für uns. Wir waren nicht sonderlich gesprächig, jeder von uns hatte vermutlich die Geschichte des letzten Abends, den Rausch der letzten Nacht im Kopf. New Havanna kannte keine großen Metropolen; es schien so, dass eine Siedlung der anderen folgte, kurz unterbrochen durch fremdartige Vegetation, aber immer wieder auch Palmen, die ich mit einem sonnigen, unbeschwerten Süden verband. Seit der Geschichte mit Paola liebte ich Palmen, die ein Mitbringsel von der Erde waren und sich an den Küsten New Havannas ausgebreitet hatten und von den Menschen hier kultiviert wurden. Die Zugfahrt sollte zehn Stunden dauern. Neben der schwarzen Bibel unbekannter Herkunft gab es in unserem Abteil eine Kamera, die mich hier verleitete, hin und wieder Faxen zu machen. Paul guckte dann besorgt, aber ich dachte mir, die Sozialisten müssten in mir einen potenziell Aufmüpfigen sehen, jemand, der prinzipiell eine Made im Fleisch der klerikalen Gesellschaft war. Aber vielleicht sah man das alles auch völlig anders und sah die größte Bedrohung im Antiautoritären. Ich war mir sicher, dass der Geheimdienst von New Havanna wusste, wer in diesem Abteil saß. Die Schaffnerinnen mit dem T auf der Uniform waren eine Wucht, sie trugen recht kurze Röcke, die das Knie freiließen, die Ausschnitte waren denen unserer Messdienerinnen nachempfunden und die Schuhe hatten eigenartig hohe Absätze, sodass von Schuh und Bein ein eigenartiger, stimulierender Reiz ausging. Diese Schuhe fand man öfters in den Touristenstädten New Havannas. Sie verwöhnten uns mit Drinks und Rauchwaren. „In bestimmter Hinsicht ist das Paradies irgendwie machbar, insbesondere, wenn man aus der Hölle kommt“, meinte Paul, nachdem eine der Grazien das Abteil verlassen hatte. „Hier könnte die ganze Zeit eine bei uns sitzen. Und ich erwarte im Übrigen eine Ganzkörpermassage. Im Übrigen ist das Paradies der einen die Hölle der anderen“, antwortete ich. Wir waren gestern in eine einladende Hölle abgetaucht, die für uns ihre paradiesischen Pforten geöffnet hatte. Die Bedeutung der Begriffe ist dehnbar. Was für den einen das Paradies ist, ist für den anderen die sinnliche Hölle. Wir mussten rechnen, haushalten, was nichts anderes bedeutete, dass wir uns einige Tage unseres Urlaubs mit der Schönheit des Meeres, der der Natur und mit dem Licht Helenas begnügen mussten. Wenn wir von den Kosten des gestrigen Tages ausgingen – ohne die zahnärztliche Versorgung – konnte nur jeder zweite Urlaubstag so werden wie der gestrige. Ein bisschen hatte ich allerdings die Hoffnung, dass so eine Art Mengenrabatt unseren Urlaub vollständig zur großen Sause machen würde. Sause war eigentlich ein Wort, das es in unseren zwei Gesellschaften nicht gab, es sei denn, in der Tourismusbranche von New Havanna wäre solch ein Wort wiederbelebt worden. Paul versuchte mich mit Go abzulenken, weil ich Pläne entwickelte, mit den Schaffnerinnen und Stewardessen anzubandeln. Ich wusste nicht, ob sie an bestimmten Stellen ein T tätowiert hatten, aber man hätte sie danach fragen können. Ich spielte ein paar Spiele, ohne dem Geheimnis auf die Spur zu kommen, rein numerisch war ich mit meinen Vorgaben im Vorteil, aber mit jedem Zug, den ich machte, verspielte ich meinen Vorteil, irgendwie klappte das bei mir mit dem Zählen nicht und irgendwann wurde ausgezählt und ich hatte verloren und Paul hatte gewonnen. Zum Glück war es nur Paul, gegen den ich verlor und nicht die Klerikalen oder Gott. Ein paar

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