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Auf Inseln (German Edition)

Auf Inseln (German Edition)

Titel: Auf Inseln (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel von Treppen
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Spielchen machte ich, wurde quasi ausgezählt und ließ es dann irgendwann, starrte aus dem Fester auf die bezaubernde sozialistische Landschaft, wo letztendlich nur Armut und Unterdrückung herrschten. Die Menschen hatten hier vielleicht einen Traum, eine Vision, aber es war sicher nicht die Kirche von New Avignon. Wie Paola mir einmal gesagt hatte, musste der typische Bewohner von New Havanna sexuell glücklicher sein, weil einerseits diese Gesellschaft keine Tendenz zur Polygamie hatte und Sexualität nicht in der Form tabuisiert war, wie wir es von New Avignon kannten.                                                                                                                                  
     
    Spät abends trafen wir in Frisco ein. Die kleine Touristenstadt war in das Licht der aufgehenden Helena getaucht, sodass die Straßenbeleuchtung aus war. Unser Hotel, das Parador, lag direkt am Meer. Wir hatten besten Blick auf Ozean und Strand, die im Licht von Helena unheimlich oder romantisch wirkten, so, wie man es sehen wollte. Unser Doppelzimmer hatte einen Balkon, eine gekühlte Bar, selbstverständlich eine schwarze Bibel, die auf dem einzigen Tisch des Zimmers platziert war. Eine Kamera konnten wir nirgends entdecken, aber wir waren sicher, dass irgendwo ein winziges Mikrofon stecken musste. Hier würden wir nun gut zehn Tage verbringen. Vermutlich würde die Zeit reichen, um Paul und mich völlig unbrauchbar für New Avignon zu machen. Einen ersten Kontakt mit Frauen hatten wir in Angelino gemacht. Es galt nun unsere beschränkten Ressourcen optimal einzusetzen, denn der verdiente Urlaub war nicht all-inklusive. Über unsere spätere finanzielle Situation wollten wir uns keine Gedanken machen. Zur Begrüßung hatten wir eine Flasche Sekt und zwei kleine Zigarren bekommen, die wir, auf dem Balkon sitzend, rauchten. Für Rauchwaren und Alkoholika musste unser Geld auf jeden Fall reichen. Der Strand war mit großen, gleich hohen Palmen gesäumt, der schwache Passat spielte mit ihren Blättern. Auf der Strandpromenade sah man Touristen mit Frauen ohne Kopftuch, auch Grüppchen von Frauen, die einen ausgelassenen Eindruck machten. Als wir in Frisco eingetroffen waren, erkannte ich die Stadt sofort wieder. Damals wohnte ich in einem anderen Hotel, dessen Name mir entfallen war. Ich war damals noch jung und mein gesellschaftlicher Aufstieg galt als sicher. Obgleich ich die Begegnung mit Paola nie vergessen hatte, wurden die Erinnerungen nun dichter. Ich hatte Paul schon öfters von Paola erzählt, die damals noch sehr jung war, achtzehn vielleicht, jedenfalls hatte sie das gesagt und mochte jetzt Mitte zwanzig sein, jung genug, um ihren Beruf noch auszuüben zu können. Paul wusste, dass ich Paola geliebt hatte. Ich hatte keine Chance, ich musste sie lieben und sie hatte ihr Bestes gegeben, um bei mir den Eindruck zu hinterlassen, dass sie mich auch liebte. Neben dem Sex und den Zärtlichkeiten, mit denen sie mich verwöhnte, beteiligte sie mich an meinen Spinnereien, die sich darum drehten, wie wir ein gemeinsames Leben führen konnten. Vermutlich war sie die perfekte Schauspielerin, was ich damals weder glauben konnte noch wollte. Nachdem ich mich von Paola trennen musste, hatte ich begonnen, alles zu hassen: die sozialistische Sklavengesellschaft, die für mich ein kleines romantisches Märchen aufgeführt hatte und die Gesellschaft von New Avignon, die eine solche Liebe für mich nicht zuließ. Im Nachhinein war es um so bitterer, dass die gespielte Liebe einer Prostituierten die einzige Liebe war, die ich je kennengelernt hatte. Ich wollte sie wieder sehen, aber die Chancen dafür standen nicht gut. Und wenn, war sie vermutlich ausgebucht. Paul war es schon aufgefallen, wie neurotisch ich entfernte Frauen angeschaut hatte, weil ich an jeder Ecke Paola vermutete. Eine leichte Kurzsichtigkeit meinerseits erschwerte auf Distanz meinen Job, mit Sicherheit auszuschließen, dass es sich bei einer entfernten Person um Paola handelte. Paola hatte dunkles, langes Haar wie fast alle T-Trägerinnen auf dieser Insel, war etwas über einssiebzig groß, hatte natürlich die Figur, die bei diesem Job Voraussetzung war. Sie hatte Augen, von denen man annehmen musste, dass sie nicht lügen konnten, eine wache Intelligenz und einen warmherzigen Humor, der bei mir zu völligem Realitätsverlust

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