Auf keinen Fall Liebe
ihr nicht begegnen zu müssen.
Sie wusste nicht, ob sie darüber froh oder enttäuscht sein sollte.
Vielleicht war es ganz gut so, vermutlich war es besser, wenn sie ein wenig Abstand zwischen sich brachten, bis sich ihre Gemüter wieder beruhigt hatten.
Andererseits hatte sie gehofft, mit ihm reden zu können, sie mussten miteinander sprechen, auf keinen Fall konnten sie weitermachen, als wäre nichts geschehen.
Die ganze Nacht hatte sie sich schlaflos im Bett herumgewälzt, hatte unaufhörlich den Film abgespult, wie sie dort auf der Wiese gelegen und sich liebkost hatten. Noch immer spürte sie seine Lippen, seine Hände, seinen Körper, und sie begehrte ihn mehr als zuvor. In ihr brannte ein schmerzliches Verlangen, und sie wusste, dass es nicht aufhören würde, bevor sie zu Ende bringen würden, was sie begonnen hatten.
Doch jetzt schrieb er
‚es tut mir leid‘
– was tat ihm leid? Dass er nicht bekommen hatte, was er wollte? Oder dass die ganze Sache überhaupt so außer Kontrolle geraten war?
Und nein, sie war ihm nicht böse, schließlich war sie gestern diejenige gewesen, die sich ihm an den Hals geworfen hatte. Sie war auch nicht böse, dass er sie gebremst hatte, sie wusste, dass seine Bedenken berechtigt waren, und war ihm trotz der ersten Enttäuschung dankbar, dass er so rücksichtsvoll gewesen war.
»Ach Lucian«, flüsterte sie unglücklich, »was haben wir da nur angefangen?«
Die Entscheidung nach London zu fahren, hatte Lucian spontan getroffen.
Er musste hier raus, musste sich beruhigen, bevor er Faith wieder gegenübertreten konnte. Noch immer war er aufgewühlt von den Geschehnissen dort am Bach. Sobald er daran dachte, wie leidenschaftlich und hemmungslos sie seine Berührungen erwidert hatte, stieg erneut eine heftige Erregung in ihm auf. Dieses begonnene Liebesspiel mit ihr war besser gewesen als alles, was er je erlebt hatte. Es war aufregender gewesen, als er es sich in den letzten Wochen pausenlos vorgestellt hatte, und er wagte nicht sich auszumalen, wie es gewesen wäre, wenn sie nicht aufgehört hätten.
Jetzt brauchte er erstmal ein bisschen Abstand, er musste diese Gedanken unter Kontrolle bringen, bevor er sich doch noch zu etwas hinreißen ließ, was unter Umständen für sie beide in einem Fiasko enden konnte.
Er musste sich überlegen, wie es jetzt weitergehen sollte, denn dass er Faith nach wie vor wollte, stand außer Frage, er verzehrte sich nach ihr und würde nicht eher Ruhe finden, bis sie endlich ihm gehörte.
»Faith«, dachte er sehnsüchtig, während er in Richtung London fuhr, »was hast du nur mit mir gemacht?«
Es war später Sonntagabend, als Lucian und Emily aus London zurückkehrten, und Faith war bereits schlafen gegangen.
Nach einer weiteren durchwachten Nacht begann der Montagmorgen äußerst hektisch. Kaum dass sie aufgestanden waren, klingelte das Telefon und Lucian wurde zu einem Notfall gerufen.
»Soll ich mitfahren?«, bot Faith an, doch er schüttelte den Kopf.
»Nein, es ist nichts Dramatisches. Es wäre mir lieb, wenn du hier bleibst und dafür sorgst, dass Emily in die Schule kommt und die Patienten vertröstest, falls ich nicht rechtzeitig zurück bin.«
»In Ordnung, mach dir keine Gedanken, ich kümmere mich um alles«, versprach sie.
Die Tatsache, dass sie beide ganz automatisch beim intimen ‚Du‘ geblieben waren, ließ ein kleines Lächeln um Lucians Mundwinkel spielen.
»Ich weiß«, nickte er, »Bis dann.«
Als er zurückkam, saßen bereits drei Leute im Flur und warteten auf ihn und er begann sogleich mit der Sprechstunde.
Mittags kam Emily von der Schule und brachte noch eine Freundin zum Essen mit. Auch Shane und zwei seiner Mitarbeiter, die mit dem Anbau beschäftigt waren, aßen mit ihnen, sodass sich keinerlei Gelegenheit bot, ein privates Wort miteinander zu wechseln.
Nervös stocherte Faith auf ihrem Teller herum. Sie bemerkte, dass Lucian sie ab und zu anschaute, und als sie den Kopf hob und ihre Blicke sich trafen, sah sie, dass er genauso unruhig war wie sie.
Gegen Halbdrei verschwanden Emily und ihre Freundin zu Polly und Molly, um mit den Tieren zu spielen. Kurz darauf machten Shane und seine Männer sich auf den Weg zum Baumarkt, um neues Material zu holen.
Faith saß im Arbeitszimmer und bereitete für Lucian die Termine für den Nachmittag vor, als er auf einmal zur Tür hereinkam.
Er ließ sich auf einer Ecke des Tischs nieder, schaute sie forschend an.
»Faith, wir müssen reden«, sagte er
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