Auf keinen Fall Liebe
fahre heute nach London«, erklärte Faith am Samstagmorgen beiläufig, während sie den Frühstückstisch abräumte.
»So plötzlich?«, fragte Lucian erstaunt. »Was hast du denn vor?«
Sie zögerte einen Moment. »Nichts Wichtiges, ich muss nur eine Kleinigkeit erledigen«, sagte sie dann ausweichend.
Sicher war es sinnvoller, für sich zu behalten, was sie vorhatte. Zum einen hatte die Sache mit den Blumen sowieso schon für ein Missverständnis gesorgt, zum anderen war sie ihm keine Rechenschaft schuldig. Sie würde das Ganze regeln, und danach wieder zur Tagesordnung zurückkehren, ohne dass Lucian ihr irgendwelche unangenehmen Fragen stellen würde. Je weniger sie über dieses Thema sprechen musste, desto besser.
Lucian schaute sie einen Moment mit hochgezogenen Augenbrauen an, dann nickte er.
»Okay, vielleicht mache ich heute mit Emily einen Ausflug nach Land‘s End.« Er stand auf, kam zu ihr und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Fahr vorsichtig, und ich wünsche dir viel Erfolg bei was auch immer.«
Als Faith in London eintraf, war es bereits Nachmittag. Die Autobahn war völlig überfüllt gewesen, und es hatte mehrere Staus wegen Baustellen gegeben. Außerdem hatte sie zweimal angehalten, um eine kurze Rast zu machen, weil sie so gezittert hatte, dass sie nicht weiterfahren konnte. Der Gedanke, Gabriel zu begegnen, riss die alten Wunden wieder auf, ließ den ganzen Schmerz erneut in ihr aufsteigen. Sie hatte noch ein paar Mal versucht, ihn telefonisch zu erreichen, in der Hoffnung, eine persönliche Konfrontation vermeiden zu können, doch sie hatte keinen Erfolg gehabt.
Jetzt fuhr sie langsam durch die Kinnerton Street im vornehmen Londoner Stadtteil Belgravia und suchte nach einem Parkplatz. Schließlich hatte sie eine Lücke gefunden, stellte ihren Wagen ab, und nachdem sie tief durchgeatmet und sich Mut gemacht hatte, stieg sie aus.
Sie steuerte auf das Wohnhaus zu, in dem Gabriel ein Loft bewohnte, gab sich nach kurzem Zögern einen Ruck und drückte energisch auf die Klingel.
Als nichts geschah, läutete sie ein zweites Mal, ging dann nach einem Moment vergeblichen Wartens seufzend wieder zu ihrem Auto zurück.
»Mist« murmelte sie leise vor sich hin, und wusste nicht, ob sie froh oder enttäuscht sein sollte.
Kurzentschlossen fuhr sie zu ihrem Appartement. Sie würde es später noch einmal probieren, wenn nicht, würde sie über Nacht bleiben und es morgen erneut versuchen.
»Chelsie?«, rief sie fragend, als sie die Tür aufgeschlossen und den Flur betreten hatte.
Sekunden danach fiel die Freundin ihr um den Hals.
»Faith, wieso hast du mir denn keinen Ton gesagt, dass du heute kommst?«
»Das war ein kurzfristiger Entschluss«, erklärte Faith und berichtete kurz von ihren erfolglosen Bemühungen, Gabriel zu erreichen.
»Vielleicht ist er übers Wochenende zu seinen Eltern ins Landhaus gefahren«, sagte Chelsie achselzuckend.
Faith biss sich auf die Lippen. »Dann müsste ich dort hinfahren, ich habe die Telefonnummer nicht«, murmelte sie unbehaglich.
»Wenn du möchtest, begleite ich dich«, bot Chelsie an, die genau wusste, warum die Freundin plötzlich so bedrückt war. »Oder du musst eben warten, bis er wieder hier in London ist.«
Nach einem kurzen Moment des Nachdenkens schüttelte Faith den Kopf. »Nein, ich will nicht warten. Je eher ich diese Sache aus der Welt geschafft habe, desto besser, wer weiß, was ihm sonst noch alles einfällt. Ich fahre nach Evesham, ich will spätestens morgen Abend zu Hause sein.«
Chelsie nickte. »In Ordnung, lass uns einen Kaffee trinken, und dann machen wir uns auf den Weg.«
»Du musst nicht mitkommen«, wollte Faith abwehren.
»Oh doch, du fährst da auf gar keinen Fall alleine hin. Ich will nicht, dass noch einmal so etwas passiert wie beim letzten Mal.«
Lucian war mit Emily nach Land‘s End gefahren. Sie liefen auf dem Wanderweg an der Küste entlang, aber während Emily ihren Spaß hatte, war Lucian zu sehr in Gedanken versunken, um die fantastische Aussicht zu genießen.
Missmutig stellte er fest, dass er diesen Ausflug zusammen mit Faith sicherlich wesentlich mehr genossen hätte, und überlegte, was sie wohl gerade tun mochte. Er war am Morgen kurz davor gewesen, sie zu fragen, was sie in London zu erledigen hatte, er hatte es sich jedoch verkniffen. Abgesehen davon, dass es ihn nichts anging, wollte er ihr nicht das Gefühl geben, dass sie nichts tun konnte, ohne ihm eine Erklärung abzugeben oder dass
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