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Auf nassen Straßen

Auf nassen Straßen

Titel: Auf nassen Straßen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sinnlos.
    »Wir werden uns verloben«, erklärte Hannes. Der alte Baumgart nickte.
    »Das freut mich.« Jochen verbeugte sich noch einmal steif. »Sie sind Reederstochter?«
    Irene Ballin senkte den Kopf. Die direkte Frage nach ihrer Abkunft verwirrte sie. Sie spürte plötzlich einen eisigen Strom von Jochen Baumgart zu sich herüberfluten, und sie war machtlos, dem zu begegnen.
    »Mein Vater ist Werftarbeiter.«
    »Ach so.«
    »Ein ehrlicher Mann«, sagte der alte Baumgart und stopfte seine Pfeife. »Ein grundehrlicher –«
    »Viel Glück.« Jochen nickte Hannes und Irene zu und verließ wieder die Kajüte.
    Was soll ich hier, fragte er sich. Wie kann man verlangen, daß ich in einer solchen Primitivität atmen soll? Ich habe die große Welt genossen, ich habe kennengelernt, was es heißt, reich und unabhängig zu sein; ich habe Kultur in mich hineingesogen und Wissen angesammelt wie andere Briefmarken oder Schmetterlinge. Ich werde zurück nach München fahren und mich bemühen, durch Verbindungen in die Industrie zu kommen.
    Er drehte sich herum, als er einen Schritt hinter sich hörte. Hannes kam auf ihn zu. Er hatte die Hände tief in den Taschen seiner Schifferhose.
    »Du bist nicht gerade höflich«, sagte er zu Jochen und lehnte sich gegen die Bretterwand der geöffneten Ladeluke. »Lernt man das nicht auf der Universität?«
    »Bist du herausgekommen, um mich anzupöbeln?«
    »Du hast Irene wie Dreck behandelt. Was kann sie dafür, daß ihr Vater ein Arbeiter ist und kein Reeder? Hast du vergessen, woher du kommst?«
    »Ich habe es heute mit Erschrecken gesehen! Das genügt mir!«
    »Du undankbarer Hund!« Hannes Baumgart ballte die Fäuste in der Tasche. »Wir haben uns abgerackert, damit der älteste Herr Sohn etwas lernt …«
    Jochen winkte ab. »Bitte, leg nicht die alte Platte auf, sie ist so abgespielt, daß sie jault! Elf Jahre lang habe ich es aus allen euern Briefen herausgelesen: Opfer, Not für dich, lerne fleißig, damit das Geld nicht umsonst war, sei brav, denke daran, was du kostest – es kotzt mich an, wenn ich daran denke!«
    »Wir haben gehungert deinetwegen …«
    »Schweig!« schrie Jochen Baumgart. »Ich werde euch das Studium zurückzahlen, sobald ich eine Stellung habe!«
    »Du willst nicht hierbleiben?«
    »Auf dem Schiff?«
    »Ja!«
    »Nie!« Er sah Hannes an. Die Dunkelheit ließ die einzelnen Züge im Gesicht des Bruders nicht erkennen.
    »Oder hast du es erwartet?«
    »Ich kannte dich nur aus der Erinnerung. Damals warst du der große Bruder, der ab und zu im Jahr für ein paar Tage Ferien zu uns kam. Ich bewunderte dich. Ich hätte es nicht getan, wenn ich gewußt hätte, wie du bist! Als du vorhin das Schiff betratest, wußte ich, daß du nie hierbleiben würdest. Nur die Eltern hofften es. Vater ist zu alt, um das Schiff weiter zu führen. Er hat Rheuma – er kann nicht mehr am Ruder stehen. Und er hatte immer, in all den Jahren, die großen Pläne, die heute mit einem Satz von dir zerstört wurden: Mein Sohn Jochen hat studiert. Er wird es verstehen, mit den Kreisen in Verbindung zu kommen, die wir brauchen, um Fracht zu erhalten. Er ist ein Weltmann – er soll das Unternehmen fortführen! – Daran glaubte er in all den Jahren. Das ist nun vorbei.«
    Jochen nickte. Er sah über die dunklen Hafenanlagen hinweg – der Geruch des öligen, fauligen Standwassers an den Kais reizte seine Nase.
    »Übernimm du das Schiff.«
    »Das werde ich auch.«
    »Und heirate gut …«
    »Irene.«
    »Gut, habe ich gesagt!« Jochen sah seinen jüngeren Bruder kopfschüttelnd an. »Irene mag ein liebes Mädchen sein. Ein schönes Mädchen. Ein Mädchen mit Charakter. Aber Liebe vergeht, Schönheit wird runzlig, und Charakter ist ein Luxusgegenstand, der uns teurer wird als zehn Blue-Nerzmäntel. Wenn du heiratest, muß eine Modernisierung des Schiffes herausspringen.«
    »Was meinst du damit?« fragte Hannes. Seine Stimme war rauh, als habe er einen trockenen Hals.
    »Wenn man sich ein Vögelchen hält, so muß es eins sein, das goldene Eier legt, aber nicht eins, das sie aufpickt.«
    Durch den Körper Hannes Baumgarts zog ein Zittern. Er beugte den Kopf vor und sah seinen Bruder aus starren Augen an.
    »Nimm das zurück!« sagte er leise.
    Jochen hob die Schultern. »Sei vernünftig, Hannes. Ich kenne diese Irene Ballin nicht – ich will sie auch gar nicht kennenlernen. Sie wird ein netter Kerl sein – ich sehe es ihr an. Und sie wird auch eine gute Ehefrau werden, ich zweifle nicht

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