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Auf nassen Straßen

Auf nassen Straßen

Titel: Auf nassen Straßen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Morgen zu ihm gesagt hatte: »Heimlich bist du weggefahren! Aber sollte hinter dem Telegramm Jochen stehen, kehren wir wieder um! Ich nehme kein Almosen vom eigenen Sohn! Ich nicht!«
    Jochens Kopf sank gegen die Scheibe der großen Kommandobrücke. Sie hassen mich noch immer, durchjagte es ihn. Sie kennen mich nicht mehr.
    In Koblenz blieben sie unprogrammgemäß zwei Tage liegen. Ein Telegramm, das Pierre Domaine an Herbert Willke geschickt hatte, veranlaßte diesen, den Transport zunächst zu stoppen.
    Das Telegramm lautete schlicht:
    »Tante Emma zu Besuch bei Onkel Walter, Tante will in einen Gesangverein eintreten. Abwarten, was Onkel Theo sagt. Peter«
    Auf gut deutsch hieß das: Agent Tschernoslawskij von der Polizei verhaftet. Wenn er gesteht, platzt der westeuropäische Ring. Abwarten, was geschieht. Pierre Domaine.
    Herbert Willke las das Telegramm mit eisigem Schrecken und erfand eine ebenso dumme wie plausible Begründung, in Koblenz zunächst zu ankern.
    »Mein Kompagnon teilt mir mit, daß für den noch nicht gefüllten Laderaum VI vielleicht eine Beiladung einer hiesigen Firma dazukommt. Wir sollen warten, bittet er uns.«
    Jochen Baumgart nickte. »Wenn es sich mit Ihren Dispositionen vereinbaren läßt, bitte! Die Tage, die wir hier länger liegen, werden wir prozentual auf den Frachtpreis umrechnen.«
    Willke wischte sich über die Stirn. »Es wird alles bezahlt, Herr Baumgart!«
    In diesen zwei Tagen lud die ›Guter Weg‹ in Köln die Maschinenkisten und fuhr, nachdem der alte Baumgart genau die hinterlegten Frachtpapiere geprüft hatte, wieder den Rhein aufwärts nach Stuttgart, der Endstation des Auftrages.
    Bei den Frachtpapieren lag ein Bündel Hundertmarkscheine.
    ›50prozentige Frachtvorauszahlung‹, stand auf einem Zettel, der mit einer Büroklammer an den obersten Schein geheftet war.
    Sonst nichts. Kein Gruß, keine Unterschrift, kein persönliches Wort.
    Glücklich legte Hannes die Geldscheine vor den Vater hin.
    »Es gibt doch noch Wunder, Vater. Nur schaffen sie jetzt die Menschen selbst herbei.«
    »Das ist kein Wunder«, brummte der Alte, »sondern es ist …«
    »Fang nicht schon wieder an, Vater!«
    »Es ist Reue!« sagte der alte Baumgart stur.
    »Jochen rettet uns.«
    »Nachdem er uns erst kaputt machte. Ein merkwürdiger Weg.«
    »Du bist wie ein Kreisel. Vater.« Es war Irene, die das sagte. Ein anderer hätte es nicht gewagt.
    Der Alte fuhr herum. »Ein Kreisel?«
    »Du gebrauchst immer die gleichen Worte. Du hast immer die gleiche Richtung. Gibt es für dich nur ein Ja oder Nein und nicht einmal ein vielleicht? Hier liegt Geld, Vater, Geld, das uns Jochen zu verdienen gibt! Das ist sichtbar, das kann man greifen, das rettet uns! Alles andere ist doch unwichtig, sollte vergessen sein! Wer nicht vergessen kann, kann auch nicht lieben!«
    »Kalendersprüche! Das fehlte mir noch in meiner Familie.«
    Der alte Baumgart nahm das Geld, klopfte die Geldscheine gerade und schob das Päckchen Hannes zu. »Nimm es!«
    »Ich, Vater?«
    »Du hast das Schiff übernommen! Verhandle du mit deinem Bruder – ich will von dieser neuen, merkwürdigen Welt nichts mehr wissen! Ich passe nicht in sie.«
    »Das ist doch Dummheit, Vater«, sagte Hannes.
    »Das ist Alter, mein Junge.«
    »Ich kann also mit Jochen sprechen?«
    »Wenn du Sehnsucht danach hast …«
    »Ich kann mit ihm Verträge schließen?«
    »Er wird dich übers Ohr hauen«, sagte der Alte gehässig.
    »Du wirst mir nicht mehr dazwischen reden, was ich auch tue?«
    Der alte Baumgart sah empor und kniff kritisch seine Augen zusammen.
    »Was hast du vor, Hannes?«
    »Ich möchte eine klare Antwort, Vater.«
    »Du kannst tun und lassen, was du willst. Wohin du kommst, wirst du sehen. Mich trifft keine Schuld mehr.« Er wandte sich ab und öffnete langsam die Tür zu seiner Kajüte. »Mich haben meine Söhne entmündigt. Meine eigenen Söhne …«
    Kurz vor Koblenz, auf der Höhe von Linz, spürte Irene die ersten Wehen. Sie kamen eine Woche zu früh. Mutter Erna packte sie ins Bett und setzte einen großen Kessel Wasser auf den Herd, sie bereitete Schüsseln und Tücher vor, holte den Schiffs-Verbandskasten herbei und verwandelte die kleine Schlafkajüte in einen provisorischen Kreißsaal.
    »So haben alle Baumgart-Frauen ihre Kinder bekommen«, sagte sie und legte ihre Hand auf die schweißnasse Stirn Irenes. »Auf dem schaukelnden Schiff – es ist wie eine große Wiege, in die man das Kind legt. Mit dem ersten Schrei hört es das

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