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Auf nassen Straßen

Auf nassen Straßen

Titel: Auf nassen Straßen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kommen!
    Hannes umarmte seinen Vater, als die Lichtsignale in ihr Steuerhaus drangen.
    »Er kommt!« schrie er, außer sich vor Freude. »Er kommt! Er wird Irene retten!«
    Er rannte aus dem Ruderhaus hinunter in die Kabine und stürzte in das kleine Zimmer.
    »Jochen kommt!« rief er. Er fuhr sich mit der Hand über die Augen und begann plötzlich zu zittern. »Es wird alles wieder gut werden, Mutter …«
    Erna Baumgart beugte sich über Irene und legte sie nach einem heftigen Wehenanfall zurück in die Kissen.
    Sie nickte. »Geh hinaus und sieh zu, daß wir an Land kommen! Wir können hier nichts mehr tun.«
    »Jochen wird uns helfen!«
    Er rannte hinaus.
    Jochen Baumgart beobachtete unten von der Reling aus, wie die ›Guter Weg‹ stoppte. Als sie längsseits kamen, stoppte auch die ›Fidelitas‹. Karl Bunzel navigierte mit einer Meisterschaft, die den alten Baumgart verblüffte, der hinter dem großen Rad stand.
    Als sie so nahe Bord an Bord gekommen waren, daß man hinüberspringen konnte, streckte Jochen seinem Bruder beide Hände entgegen.
    »Spring, Hannes!«
    Er ergriff den Arm des Bruders, als dieser in die Fallreep-Lücke der Reling sprang, und zog ihn auf die ›Fidelitas‹. Dann standen sie sich stumm gegenüber, während der alte Baumgart mißtrauisch und wachsam durch die Scheibe seines Steuerhauses hinüberstierte.
    »Du bist in Not?« nahm Jochen das erste Wort auf.
    »Irene liegt seit vielen Stunden in den Wehen. Das Kind kann so nicht kommen. Sie muß in eine Klinik. Aber ich kann sie doch nicht einfach ans Ufer bringen und dann warten, bis ich einen Wagen erwische! Als ich dich kommen sah, dachte ich …« Er blickte sich um und sah auf das unter eine Plane auf dem Hinterdeck vertäute Auto.
    Von den Kabinen kamen Willke und Betty Kahrmayr. Verwundert sahen sie hinüber zu dem alten Schiff und auf das Manöver, das Bunzel noch ausführte. Mit starken Tauen wurde die ›Guter Weg‹ mit der ›Fidelitas‹ verbunden – dann schoben drei Matrosen einen Laufsteg hinüber auf den dunklen Kahn.
    »Was soll das?« fragte Willke verblüfft. Er stand neben Betty an der Reling des Hinterschiffes. »Sollen wir den alten Bruchdampfer in Schlepp nehmen? Das ist doch dieses elterliche Schiff von deinem Spezi, was?«
    »Ich möchte Sie bitten, mich nicht mehr zu duzen«, sagte Betty und wandte sich ab. »Wir kennen uns nicht mehr und haben uns nie gekannt, verstanden? Wenn Sie Schwierigkeiten machen, sage ich Jochen, was Sie sind und woher Sie kommen und was man in die Holzstämme eingebohrt hat.«
    Herbert Willke biß sich auf die Lippen. Gehässig sah er Betty nach, die nach vorn zu Hannes und Jochen ging.
    Sie hörte Jochens Frage: »Ist sie denn transportfähig?«
    Hannes hob die Schultern. Er sah erstaunt auf Betty, die jetzt in das Licht der Brückenlampen trat.
    »Meine Braut Betty Kahrmayr«, sagte Jochen.
    Hannes gab ihr die Hand. »Ich gratuliere herzlich!«
    »Ihre Frau ist krank?« fragte Betty.
    Hannes musterte sie verblüfft. »Sie wissen …«
    »Jochen hat mir alles über seine Familie erzählt.« Jochen Baumgart blickte zu Boden, aber glücklich spürte er die Freude, mit der Hannes seinen Arm drückte. »Sie bekommt ein Baby?«
    »Es will nicht kommen! Mutter meint, sie müsse sofort in eine Klinik.«
    Es war das erstemal, daß Jochen wieder das Wort Mutter hörte. Nach über einem Jahr. Es sprang ihn an und würgte ihn in der Kehle.
    »Mutter ist bei Irene?«
    »Ja. Aber sie weiß nicht weiter. Sie kann nicht mehr helfen.«
    »Komm!«
    »Du willst auf das Schiff?« Hannes' Stimme brach fast. »Du willst wirklich …«
    »Red nicht so lange. Komm!« Er wandte sich zu Betty. »Sag Bunzel, er soll den Wagen so weit lostäuen, daß wir ihn gleich über die Landungsbrücke schieben können.«
    Er wartete ihre Antwort nicht mehr ab, sondern rannte über den Laufsteg hinüber zur ›Guter Weg‹. Hannes folgte ihm etwas langsamer. Er wollte Jochen allein lassen bei seiner Rückkehr.
    Als Jochen hinüber zu den Kajüten lief, sah er den Vater an der Tür des Ruderhauses stehen. Er hielt an und blickte zu ihm hin. Der Alte stand in der Dunkelheit wie ein Klotz.
    »Guten Abend, Vater«, sagte Jochen laut.
    »'n Abend.«
    »Du solltest dir einen Schal um den Hals wickeln. Du weißt doch, daß du dich so leicht erkältest.«
    »Hab's vergessen.«
    Der alte Baumgart drehte sich um und verschwand wieder in der Dunkelheit des Ruderhauses. Dort lehnte er sich gegen das große Steuerrad und legte den

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