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Auf nassen Straßen

Auf nassen Straßen

Titel: Auf nassen Straßen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Plätschern der Wellen, das Stampfen der Maschinen und spürt das Zittern der Planken.«
    Hannes stand ängstlich am Ruder. Alle zehn Minuten schickte er den Vater hinunter in die Kajüte, um nach Irene zu sehen. Brummend ging der Alte.
    »So ein Theater«, sagte er einmal. »Was Millionen Frauen gekonnt haben, wird auch Irene können.«
    Sie konnte es nicht!
    Zehn Stunden lag sie in den Wehen. Zehn Stunden lang stöhnte und schrie sie, warf die Arme um sich oder verkrallte sie in den Oberarm Mutter Ernas.
    »Es kommt nicht! Es kommt nicht!« schrie Irene grell. »Ich sterbe! Ich sterbe vor Schmerzen …!«
    Es war Nacht, als sie Koblenz anliefen.
    Die ›Fidelitas‹ lag hell erleuchtet am Ufer.
    Gegen neun Uhr abends erhielt Herbert Willke einen Anruf aus Köln. Domaine war selbst am Apparat.
    »Es scheint alles in Ordnung zu gehen«, sagte er. Seine Stimme hatte wieder den unternehmungslustigen Klang. »Ich würde vorschlagen, daß ihr noch in dieser Nacht weiterfahrt.«
    Er wandte sich zu Karl Bunzel, der finster an der Tür stand.
    »Wir legen in zwei Stunden ab.«
    Um die gleiche Zeit fuhr die ›Guter Weg‹ mitten auf dem Rhein an Koblenz vorbei. Man hatte keine Anlegestelle mehr finden können, der Hafen war besetzt. Von einem kleinen Patrouillenboot aus hatte die Wasserschutzpolizei Hannes zugerufen, daß er weiter rheinaufwärts fahren solle. Bei Boppard wäre noch eine Anlegebrücke frei.
    In der kleinen Kajüte lag Irene und schlief vor Erschöpfung. Es war schon mehr eine Ohnmacht, in der sie die Hände zusammenkrampfte und leise aufstöhnte, wenn wieder eine Wehe durch ihren Körper zuckte und den Leib aufbäumte.
    »Wenn wir in Boppard nicht anlegen können, weiß ich nicht, was ich tun soll!« Als Hannes sich umsah, bemerkte er auf dem Rhein die leuchtenden Finger zweier Scheinwerfer, die den Strom erhellten, als sei er eine breite Autostraße. Im Widerschein der Lampen sah er schwach schimmernd einen weißen, schlanken Rumpf, einen niedrigen Schornstein und eine große Bugwelle, die der spitze Kiel von sich wegdrückte. Wie die Schneide eines riesigen Messers durchschnitt er das Wasser und die Eisschollen.
    Hannes stieß den Alten an und drehte ihn an der Schulter herum. »Sieh, Vater!« rief er glücklich. »Sieh doch …«
    Der alte Baumgart zog die buschigen Augenbrauen zusammen.
    »Ein Schiff!« sagte er stur. »Es wird uns überholen. Wir müssen schnell zur anderen Seite, ehe es uns rammt.«
    »Ja, siehst du denn nicht, wer es ist, Vater?«
    Wieder dieselbe sture Antwort:
    »Ein Schiff!«
    »Jochen!«
    »Wir wollen ihm Platz machen! Er ist so stolz auf seine Schnelligkeit – lassen wir ihm das Vergnügen.«
    »Nein! Er soll stoppen! Wenn einer helfen kann, ist er es!« rief Hannes. Er rannte zur Reißleine der Sirene.
    »Jochen hat eine Motorbarkasse an Bord. Er hat seinen Wagen auf dem Hinterdeck! Es kann bei Irene um Minuten gehen!«
    Er riß an der Sirenenleine. Grell gellten die Heultöne über den schwarzen Rhein. Immer und immer wieder, in höchster Not, schreiend, daß es von den Bergwänden widerbrüllte. Hilfe – Hilfe – Hilfe –
    Auf der ›Fidelitas‹ stand Jochen Baumgart neben Karl Bunzel auf der Kommandobrücke. Er hatte Herbert Willke allein im Salon an der kleinen Hausbar gelassen und war zu dem Kapitän gestiegen. Wenn Baumgart ihn ein Saufloch nannte, war es in Ordnung; aber wenn es ein Fremder wagte, erzeugte diese Beschimpfung der Bunzelschen Schwäche bei ihm einen Anfall von Zerstörungswut.
    »In Basel trete ich diesen Kerl so in den Hintern, daß man eine kosmetische Plastik machen muß«, sagte er gerade zu Baumgart, als durch die Dunkelheit das Heulen der Sirene tönte.
    Bunzel drehte verwundert an den elektrisch gesteuerten Scheinwerfern und ließ die Strahlen höher über den Rhein gleiten. Sie erfaßten das alte Schiff, den breiten, niedrigen Kajütenaufbau und den fast farblosen, graubraunen Rumpf. Bunzel, der durch sein Nachtglas sah, ließ es plötzlich wieder sinken.
    »Sieh an, sieh an«, sagte er.
    Baumgart schüttelte den Kopf. »Was ist denn, Bunzel? Geben Sie Antwort, daß wir gleich kommen!«
    »Ich weiß nicht, ob es Ihnen recht ist, Mister.«
    »Mir recht?« Baumgart starrte auf das dunkle Schiff. »Die ›Guter Weg‹?«
    »Ja.«
    »Fahren Sie!«
    »Weiter?«
    »Heran! Sie Vollidiot!«
    »Sofort, Mister, sofort!«
    Mit den Scheinwerfern blinkte Bunzel zu der ›Guter Weg‹ hinüber. Auf – ab, auf – ab – wir haben verstanden. Wir

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