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Auf nassen Straßen

Auf nassen Straßen

Titel: Auf nassen Straßen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Rhein und die wenigen Schiffe, die langsam und tiefbeladen mit Kohlen gegen den Strom stampften. Der Steward verschwand in der Kombüse.
    Nach einer guten halben Stunde kam er wieder.
    »Herr Baumgart läßt die Herren bitten!« sagte er steif. Er ging den beiden voraus und öffnete die Tür einer Kajüte.
    Domaine, ganz Weltmann, trat mit einem Lächeln und einer kleinen, korrekten Verbeugung Jochen Baumgart gegenüber. Er empfand es als wohltuend, daß Betty nicht im Raum war.
    Baumgart musterte die Eintretenden kurz und ohne Mühe, diese Musterung diskret zu verbergen. Er zeigte auf die Sessel, die um einen runden Tisch standen.
    »Bitte!«
    »Merci, Monsieur!«
    »Sie haben mir geschrieben?« fragte Jochen Baumgart. »Leider – um es vorwegzunehmen – muß ich Ihnen sagen, daß ich für zehn Jahre Fracht habe.«
    »Wie bitte?« sagte Willke verblüfft. »Zehn Jahre?«
    »Ich habe langjährige Verträge mit Firmen, die solvent sind.«
    »Das sind wir auch.« Pierre Domaine lächelte. »Wir sind so solvent, daß wir Ihnen die doppelte Frachtrate bezahlen, wenn Sie für uns fahren. Und zwar zahlen wir fünfzig Prozent bei Übernahme der Ware und fünfzig Prozent bei Eintreffen am Zielort.«
    »Und um was handelt es sich?«
    »Um Holz.«
    »Holz?«
    »Bauholz und Grubenholz. Ein ehrliches und gutes Geschäft, das auch für Sie von Dauer sein kann. Gebaut wird immer. Wir liefern das Holz nach Holland und die Schweiz.«
    »Nach Holland Grubenholz?«
    »Bauholz«, lächelte Domaine. »Holland hat ja keine Gruben.«
    »Eben.«
    »Es sind Eilaufträge. Darum möchten wir, daß Sie, der Sie das schnellste und modernste Schiff besitzen, das Holz zunächst auf der ersten Fahrt nach Basel bringen. Gelingt es Ihnen, diesen Auftrag sogar mit einem Zeitgewinn von drei Tagen über Normalzeit auszuführen, zahle ich Ihnen zwanzig Prozent über den ausgemachten Preis als Prämie.«
    Jochen Baumgart setzte sich und schob Domaine und Willke die Kiste Zigarren hin. »Sie müssen eine tolle Kalkulation haben, um dies versprechen zu können«, sagte er verwundert.
    »Nur, weil wir eigene Waldungen besitzen.«
    »Sie fahren also?« fragte Willke und beugte sich vor.
    »Im nächsten Jahr. Vielleicht.«
    Pierre Domaine legte sein Scheckbuch auf den runden Tisch. Er schlug es auf. Ein Scheck war unterzeichnet.
    Ein Blankoscheck.
    »Wenn Sie sofort fahren, zahle ich Ihnen über das Doppelte.«
    »Das ist unmöglich!« Baumgart sprang auf. »Ich habe Frachtverträge, die ich einhalten muß.«
    »Ich löse sie ab. Geben Sie diese Aufträge an andere Schiffe. Sie können es sich leisten – wenn Sie mit uns arbeiten –, Ihrer Konkurrenz von Ihren Aufträgen etwas abzugeben.«
    Hannes, dachte Jochen Baumgart plötzlich. Ich könnte ihm tatsächlich von der Fülle meiner Aufträge einige abgeben, denn es wird ihnen nicht besser gehen als den meisten Binnenschiffern, die in den Häfen, auf dem Rhein und in den Kanälen liegen und keine Fracht haben. Aber dann dachte er daran, daß ja nicht Hannes der Besitzer der ›Guter Weg‹ war, sondern sein Vater, und sein Gesicht wurde hart.
    »Ich habe für mich selbst zu sorgen. Ich habe vor, ein Haus zu bauen, zu heiraten …«
    Betty, dachte Herbert Willke. Sie hat es tatsächlich geschafft. Sie heiratet einen Reeder und spielt die Dame der Gesellschaft. Das Mädchen, das in Hamburg auf den Hinterhöfen aufwuchs. Das Mädchen, das sich mit vierzehn Jahren dem ersten Manne hingab, der ihr dafür eine große Portion Eis bezahlte und beim zweiten Male drei Stück Torte. Nußtorte. Eine Treibhauspflanze der Gosse, gedüngt mit Schmutz und Jauche. Die künftige Frau Reeder.
    Pierre Domaine nickte lebhaft. »Sie haben dieses Haus schon in der Tasche, wenn Sie zusagen.«
    »Im nächsten Jahr.«
    »Sofort!«
    »Sie müssen ja erst das Holz heranholen.«
    »Es lagert bereits im Hafen! Drei Schiffsladungen voll! Sie brauchen jetzt nur noch die Laderäume zu öffnen!«
    »Ich habe Fracht an Bord, begreifen Sie es doch. Ich kann nicht einfach die Fracht an Land setzen und sagen: Seht zu, wie ihr weiterkommt! Ich bekäme nie wieder Aufträge!«
    »Von uns immer!«
    »Von Ihnen allein kann ich nicht leben.«
    »Vielleicht doch!«
    »Dann müßte es ein langjähriger Vertrag sein.«
    »Ein Vertrag auf Lebenszeit«, sagte Domaine kühn.
    Willke begann zu schwitzen. Er ist verrückt, dachte er. Er verspricht Dinge, die er nie halten kann. Einmal fliegen wir alle auf … Was dann? Es ist das Schicksal aller

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