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Auf nassen Straßen

Auf nassen Straßen

Titel: Auf nassen Straßen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sich nach dem Beladen von Baumgart verabschiedete. Willke sah sie nicht. Vielleicht war er schon von Bord gegangen. Das beruhigte sie sehr, denn der gefährlichere von beiden war Domaine.
    Als sie zwei Stunden später in die Kajüte Baumgarts trat und dort dick, jovial und breit lächelnd Willke vorfand, war sie einer Ohnmacht nahe und mußte sich an die Tür anlehnen.
    Jochen Baumgart sprang auf, als Betty den Raum betrat. Auch Herbert Willke erhob sich langsam und schüttelte hinter dem Rücken Baumgarts den Kopf.
    »Darf ich dir Herrn Willke vorstellen, Liebes?« fragte Jochen und wandte sich um. »Er fährt mit uns und seiner Ladung bis Basel.« Und zu Willke gewandt: »Fräulein Kahrmayr – die zukünftige Frau Baumgart.«
    »Gratuliere!« sagte Willke fröhlich. Dann riß er sich zusammen und gab Betty höflich die Hand. »Sehr erfreut, Sie kennenzulernen, gnädiges Fräulein. Ich bewundere Sie, daß Sie auf dem Schiff mitreisen. So etwas ist doch eine harte Männersache.«
    »Mir macht es Vergnügen«, sagte Betty kurz. »Ihnen hoffentlich auch.«
    »Und wie! Es wird mir ein unvergeßliches Erlebnis sein.«
    Jetzt, nachdem das Schiff beladen war und Jochen Baumgart vor der Abfahrt von Pierre Domaine den riesigen Frachtbetrag in bar erhalten hatte, fiel das Gefühl der Vorsicht und des Mißtrauens von ihm ab. Es war ein reelles Geschäft – das war mit der Übergabe des Geldes erwiesen. Er fuhr Holz in die Schweiz. Weiter nichts. Ein Geschäft, so glatt, so einfach, so ungeheuer alltäglich, daß es müßig war, sich weitere Gedanken darüber zu machen.
    »Ich habe gedacht, wir veranstalten zur Feier dieses Auftrages ein kleines Bordfest«, sagte Jochen Baumgart fröhlich. »Was hältst du davon, Betty?«
    »Ein guter Gedanke.« Sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Wenn nur die Kopfschmerzen nicht wären. Aber es soll dich nicht stören, mit Herrn Willke zu feiern.«
    »Es wird vielleicht besser, wenn wir weiter nach Süden kommen«, meinte Willke trocken.
    »Was wird besser?!« schlug sie zurück.
    »Der Kopfschmerz. Schon oft hat eine Luftveränderung den ganzen Menschen umgekrempelt. Manchmal kennt man sie gar nicht wieder …«
    Betty Kahrmayr schluckte. Du Schuft, dachte sie. Wenn ich mehr Mut hätte, würde ich dich diese Nacht noch töten! Aber ich habe diesen Mut nicht, ich bin feige – ich weiß es. Und du weißt es auch, du Satan!
    »Vielleicht haben Sie sogar recht.« Sie nickte Willke zu.
    »Ich bitte um Entschuldigung …«
    Sie ging in ihren Kabinentrakt zurück und ließ sich aus Angst vor Willke den ganzen Tag über nicht mehr sehen.
    Kurz vor Koblenz begegneten sich die ›Fidelitas‹ und die ›Guter Weg‹. Baumgart und Bunzel standen zusammen auf der Kommandobrücke.
    »Ihr Herr Papa!« sagte Bunzel und nickte zur ›Guter Weg‹ hinüber.
    »Sie sollten solche saudummen Bemerkungen unterlassen!« brummte Jochen Baumgart grob. Er sah durch die große Scheibe hinüber und hinunter auf den alten, brüchigen Kahn, der langsam mit der Strömung rheinabwärts trieb.
    Der Vater saß hinten an Deck und hatte eine Angel in der Hand. Mutter hing auf dem Vorschiff Wäsche auf. Ein heißes, würgendes Gefühl stieg in Jochen empor. Es krampfte ihm die Kehle zusammen und schlug bis zum Herzen, daß er heftiger atmen mußte, so, als bekomme er keine Luft mehr.
    Mutter. Arme, kleine, alte Mutter!
    Jetzt blickte sie hinüber zu dem stolzen, weißen Schiff. Auch der Vater an der Angel wandte sich zur Seite und sah hinüber. Aber keiner winkte. Stumm, unbeweglich, wie geschnitzte Riesenfiguren standen sie an Deck und starrten auf die ›Fidelitas‹.
    Winkt doch, dachte Jochen Baumgart. Hebt doch einmal die Hand. Gebt mir doch ein Zeichen – ich will ja alles, alles vergessen. Ihr braucht doch bloß zu winken … Ihr wißt doch, daß es mein Schiff ist. Ich warte doch nur auf dieses Zeichen. Mutter – und auch du, Vater – winkt doch. Nur einmal. Zeigt, daß ihr mich nicht abgeschrieben und vergessen habt.
    Aber sie blieben stumm und unbeweglich an Bord stehen. Hinter den Scheiben des Ruderhauses sah er den Kopf von Hannes. Auch er starrte hinüber zu dem weißen Schiff. Seine Hand lag an der Reißleine der Sirene.
    Reiß doch durch. Junge, bettelte Jochen im Inneren. Jage das Heulen in die Luft – ich antworte dir – ich will ja antworten. Es ist ja alles so sinnlos, was wir tun.
    Aber auch Hannes schwieg und nahm die Hand wieder von der Sirene. Er dachte an die Worte des Vaters, der am

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