Auf nassen Straßen
Basel eintraf, verlieh dem schon angeschlagenen Herbert Willke die Energie eines verwundeten Ebers.
Er kletterte wieder zur Kommandobrücke empor, auf der Karl Bunzel sich bei einer Flasche Doppelwacholder hingesetzt hatte.
»Ich muß mit Ihnen sprechen, Bunzel!«
»Herr Kapitän, bitte.«
»Ich …«
Bunzel winkte ab. »Herr Kapitän!«
»Ich biete Ihnen zehntausend Mark, Herr Kapitän, wenn Sie sofort ablegen!«
Bunzel fuhr hoch. »Wieviel?«
»Zehntausend Mark!« In Willkes Stimme schwang etwas wie Zuversicht und Siegesgewißheit.
»Ich kann nicht fahren ohne den Reeder.«
»Dem schicken wir eine schöne Ansichtskarte aus Basel«, sagte Willke gehässig. »Er kann ja mit seinem Wagen nachfahren!«
»Das wäre gemein gehandelt! Ein solcher Vorschlag kann auch nur von einem Lumpen kommen, wie Sie einer sind!«
Willke schnaufte. »Glauben Sie, Ihr sauberer Jochen Baumgart wäre anders?! Er ist genau so ein schwerer Junge wie Sie und ich!«
Das war etwas, was Willke nicht hätte sagen dürfen. Er sah es ein, als es schon zu spät war.
Mit einem Satz war Karl Bunzel bei ihm und schlug ihm zunächst die halbvolle Flasche Doppelwacholder über den Kopf. Da dieser Körperteil schon ziemlich lädiert war, ging Willke in die Knie, aber im Fallen umfaßte er Bunzels Beine und riß ihn mit zu Boden.
Die Flasche Doppelwacholder lief aus.
Das war schlimmer als alle Beleidigungen und Frechheiten. Das war in Bunzels Augen Körperverletzung! Er wälzte sich auf den um sich schlagenden und sogar beißenden Willke und hieb mit beiden Fäusten auf ihn ein. Dann stieß er die Tür wieder auf und warf ihn die Treppe hinunter.
Als nach vier Stunden Jochen Baumgart zur ›Fidelitas‹ zurückkam, saß Herbert Willke mit dick verbundenem Kopf im Salon und trank ein Eisgetränk. Er sah grün aus wie eine vierzehntägige Wasserleiche.
»Was ist denn mit Ihnen?« fragte Jochen verblüfft. »Spielen Sie indischer Maharadscha?!«
Willke starrte ihn giftig an.
»Es wird Ihnen teuer zu stehen kommen«, sagte er dünn.
»Ihr Maskenball?«
»Ihr versoffenes Schwein von Kapitän hätte mich bald umgebracht!«
»Ich wußte gar nicht, daß Bunzel juristisch so begabt ist.«
»Wie?«
»Er hätte ein gutes Werk getan, wenn es ihm gelungen wäre.«
Über Willkes geschwollenes Gesicht und die aufgeplatzten Lippen fuhr ein wildes Zucken.
»Wir unterhalten uns nach der Fahrt miteinander!«
»Ich glaube, daß wir uns dann kaum noch etwas zu sagen haben!«
»Vertraglich nicht, aber privat.«
»Privat interessieren Sie mich so wenig wie ein Misthaufen.«
Willke wollte aufspringen, aber stöhnend sank er zurück und hielt mit beiden Händen seinen Kopf umklammert!
»Wundern Sie sich nicht über einen Mord!« In Willkes Augen kam ein grausames, hämisches Licht. »Auch Ihre Hure wird ihn nicht verhindern!«
In Baumgarts Händen zuckte es. »Noch ein weiteres Wort über meine Braut …«
»Ach, interessant. Sie wissen also, wen ich meine?«
»Gehen Sie in Ihre Kabine, ehe ich zuschlage!«
»Bitte!« Mühsam erhob sich Willke. Als er schwankend auf gleicher Höhe mit Jochen war, verhielt er den Schritt. »Mein Freund Domaine kann Ihnen genau schildern, wo Betty einen Leberfleck hat! Unter der linken Brust. So groß wie ein Kirschkern! Nach ein Uhr nachts war er in der Bar zum Besichtigen …«
Er ging an dem sich auf die Lippen beißenden Baumgart vorbei.
Domaine, dachte Baumgart wie betäubt. Und Willke auch … Betty kennt sie alle … Wie hängt das zusammen? Wußte Betty von dem Holzgeschäft? Hing der Auftrag mit Betty zusammen? War sie ein Lockvogel der beiden und weiter nichts? War alle Liebe nur geheuchelt, nur geschäftsmäßig, so, wie man in Hamburg sich auch eine Dirne kaufen kann – nur billiger, als es Betty gewesen war?
Ich werde sie fragen, dachte er weiter. Ich werde ihr einfach sagen, was mir Willke entgegengeschrien hat. Und an ihrer Reaktion werde ich sehen, ob es wahr ist oder nicht.
Er stieß sich von der Reling ab und ging schnellen Schrittes in den Kabinentrakt Bettys. Vor ihrer Türe zögerte er etwas. Hatte er nicht gesagt: ›Was war, ist vergessen! Wir leben nur dem Heute und dem Morgen.‹
Es waren zu große Worte gewesen. Er sah es jetzt ein. Man kann eine Vergangenheit nicht einfach abstreifen, so wie sich eine Schlange häutet.
Er klopfte kurz an die Tür und trat ein.
Betty lag auf der Couch. Sie trug enge, brokatbestickte Hosen, einen enganliegenden, schwarzen Pulli mit einem tiefen
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