Auf nassen Straßen
nach hinten. Eine lange, gebogene Schere lag zwischen seinen Fingern. Mit ihr öffnete er den Uterus und schnitt die Fruchtblase auf.
Dr. Behrend reichte die Zange mit den flachen Schaufeln an. Vorsichtig, aber fest, schlossen sich die Schaufeln um den Kopf des Kindes.
Vor der Tür, in der Ausbuchtung des Flures, hockten Hannes und Jochen Baumgart ungeduldig auf ihren Korbsesseln.
Eine Schwester, die aus dem Vorbereitungszimmer herauskam, sah die beiden Männer verwundert an, dann blieb sie stutzend stehen.
»Sie warten auf den Kaiserschnitt?«
Hannes schoß aus seinem Sessel hervor. »Ja!« rief er. Seine Haare klebten ihm auf der Stirn. »Wie geht es ihr? Kommt sie durch? Sagen Sie doch was, Schwester. Bitte, bitte, sagen Sie doch was!«
»Es verläuft alles normal. In fünfzehn Minuten können Sie Ihre Frau sehen …«
Sie rannte den Flur entlang und verschwand in einem Seitenzimmer.
»Hast du gehört«, stammelte Hannes. Er lehnte sich gegen die Wand und schluchzte plötzlich. »Ich kann sie sehen … Es verläuft alles normal … Jochen …«
Die Tür des ersten Zimmers öffnete sich. Dr. Behrend trat heraus. Sein Gesicht glänzte. Er kam mit ausgestreckten Händen auf Hannes zu und ergriff dessen schlaffe Arme.
»Gratuliere«, sagte er herzlich. »Ein Mädchen.«
»Ein Mädchen …«, wiederholte Hannes wie im Traum. »Und – meine Frau …«
»Es geht ihr den Umständen entsprechend gut. Der Chef macht gerade eine Infusion. Noch etwas Geduld.«
Durch die Tür kam die Säuglingsschwester, im Arm ein dicht verpacktes Bündel, aus dem es leise und hell weinte. »Da kommt ja die Prinzessin«, sagte Dr. Behrend fröhlich.
Mit schwankenden Schritten und weichen Knien trat Hannes an das Bündel heran.
»Mein Kind«, sagte er tonlos. »Ist es nicht ein Wunder, Jochen? Mein Kind – ein richtiger kleiner Mensch …«
Die Tür zum OP schob sich auf. Auf dem fahrbaren Bett wurde Irene herausgefahren. Sie lag flach und noch in tiefer Narkose unter den dicken weißen Decken.
Hannes starrte auf das wachsbleiche Gesicht Irenes und fuhr zusammen, als sie aufstöhnte.
»Wird sie durchkommen, Herr Doktor?« fragte er Dr. Krohnen. Schluchzen schnürte seine Kehle zu.
Dr. Krohnen lächelte mild. »Das ist nur die Narkose. Ihre Frau spürt weder Schmerzen, noch haben sich bisher Komplikationen eingestellt. Den Blutverlust haben wir mit einer Infusion Kochsalz aufgefangen. Außerdem haben wir zur Stärkung Traubenzucker gegeben. Sie wird noch ein paar Minuten in der Narkose liegen.«
Die Stationsschwester nahm ihre neue Patientin in Empfang. Sie rollte das Bett weiter. Langsam gingen die Baumgarts und Dr. Krohnen hinterher, bis in das für Irene freigemachte Zimmer.
Während zwei Schwestern die Frischoperierte behutsam in das Bett hoben, stand Dr. Krohnen noch unter der Tür.
»Sie bleiben doch sicherlich hier?« wandte sich Dr. Krohnen an Hannes.
Hannes zögerte. Das Schiff, dachte er. Die Ladung. Vater kann es nicht allein schaffen, auch wenn er es nicht wahrhaben wollte.
»Wie lange muß sie liegen?«
»Bestimmt drei Wochen.«
Jochen Baumgart verstand das Zögern seines Bruders. Er schob Hannes einen Stuhl zu und drückte ihn darauf nieder.
»Hier bleibst du, und hier wirst du sitzen, jeden Tag, bis du Irene mitnehmen kannst. Verstanden?«
»Und das Schiff? Die Ladung? Vater …«
Jochen wischte mit der Hand durch die Luft und schnitt damit Hannes das Wort ab.
»Darüber mach dir keine Sorgen. – Wir sehen uns bald wieder, Hannes.« Jochen reichte ihm die Hand hin. »Und grüß mir Irene!«
Leise zog er hinter sich die Tür zu. Auf dem Gang traf er Dr. Krohnen, der sich wieder umgezogen hatte und nach Hause gehen wollte.
»Kann mein Bruder in den nächsten Nächten bei meiner Schwägerin bleiben?« fragte Jochen ihn. »Ich glaube, es ist für beide Teile beruhigend. Wenn er – gerade in den Krisentagen, des Nachts allein in seinem Hotelzimmer sitzt, wird er verrückt!«
»Ich werde veranlassen, daß man ein Sofa in das Zimmer stellt. Eigentlich sehe ich es bei Wöchnerinnen nicht gern, schon gar nicht, wenn das Kind angelegt wird. Zu schnell ist eine Kontaktinfektion geschehen.«
»Sie können ja meinen Bruder jeden Tag durch die Steriltrommel ziehen!« lachte Jochen und verabschiedete sich.
Auf der ›Fidelitas‹ hatte es unterdessen einen neuen Zusammenstoß gegeben.
Die Aussicht, ein Millionengeschäft davonschwimmen zu sehen, wenn die ›Fidelitas‹ nicht zum verabredeten Zeitpunkt in
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