Auf nassen Straßen
Privatpatientin. Diagnose: aufgehaltene Geburt durch zu enges Becken. Durchtritt des Kindes unmöglich. Fruchtblase seit Stunden geplatzt. Es ist höchste Eile geboten. Hohe Zange unmöglich. Einzige Möglichkeit: Kaiserschnitt.«
Es war eine knappe Meldung. Der Chefarzt, Dr. Herbert Krohnen, nickte. »Ich komme sofort«, rief er ins Telefon und legte auf.
Nach weiteren zehn Minuten war Dr. Krohnen im Krankenhaus. Der Operationssaal wurde bereits vorbereitet. Aus der Tür des Vorraumes sah der Kopf der Operationsschwester mit ihrer weißen Haube.
»Es ist alles soweit, Herr Doktor.«
Dr. Krohnen nickte und ging in den Vorbereitungsraum. Für einen kurzen Augenblick sahen sie im gleißenden Licht starker Deckenlampen weißgekachelte Wände, weiße Schränke und blitzende Instrumente, ein fahrbares Bett mit den blonden Locken Irenes. Ihr nackter Körper war mit warmen Tüchern zugedeckt bis zum Hals. Nur das Operationsfeld, der hohe, aufgequollene weiße Leib ragte bloß aus den Tüchern hervor wie ein runder Hügel.
Dann schloß sich die Tür mit einem dumpfen Laut.
Hannes starrte auf die Tür.
»Wenn sie stirbt«, stammelte er. »Ich überlebe es nicht, Jochen. Ich muß immer sagen: Ich habe sie getötet! Ich habe sie geliebt, und meine Liebe war ihr Tod! Ich kann nicht weiterleben ohne sie …«
»Dr. Krohnen wird sie retten.« Jochen Baumgart setzte sich. Auch ihn ergriff diese Stunde; in seinem Inneren jagte die Angst das Blut genauso durch sein Herz wie bei Hannes.
»Und wenn es zu spät war?«
»Daran darfst du nicht denken.«
Der junge Arzt kam den Gang entlang. Auch er war jetzt in Operationshosen und in weißen Leinenschuhen.
»In vierzig Minuten ist alles vorüber«, sagte er aufmunternd zu Hannes. »Der Chef hat schon viele Kaiserschnitte gemacht. Es ist für ihn eine Routineoperation.«
Im OP standen sich Dr. Krohnen und Dr. Behrend mit erhobenen Händen gegenüber. Sie ließen die Desinfektionslösung abtropfen, bevor sie die Gummihandschuhe anzogen, die mit einer Zange aus dem Sterilkasten geholt wurden.
»Narkose?« fragte Dr. Krohnen die Narkoseschwester.
»Noch nicht.«
»Geben Sie Äther!«
Während Irene die Maske übergestülpt bekam und die Narkoseschwester den Anästhesieäther darauftröpfelte, überflog Dr. Krohnen schnell das auf dem Instrumententisch bereitgelegte Instrumentarium.
»Bereiten Sie eine Kochsalzinfusion vor«, sagte er zu der Medikamentenschwester, die ebenfalls in den OP gekommen war.
»Patientin schläft.«
Die Stimme der Narkoseschwester klang geschäftlich wie immer.
»Puls weich, Atmung schwach.«
»Halten Sie Strophantin bereit.«
»Ja, Herr Doktor.«
Dr. Krohnen beugte sich über den hohen Leib. Die Haut war gespannt wie bei einer Trommel. Gleich einem Gewirr kleiner Flüsse hoben sich die Adern und Äderchen blau und deutlich durch die Bauchhaut ab.
Dr. Krohnen streckte die Hand aus. Ein Skalpell glitt zwischen seine Finger. Dort, wo der Schnitt gezogen werden sollte, war die Haut gelbbraun mit Jod eingepinselt.
Mit einer schnellen Bewegung führte Dr. Krohnen den Schnitt. Vom Nabel abwärts bis zur Blase. Die gespannte Bauchdecke klaffte auseinander, der unheimliche Druck von innen riß den Schnitt weit auseinander. Eine dünne Schicht weißgelben Fettes quoll an den Schnitträndern hervor und wölbte sich um sie herum. Ein paar Blutstropfen waren schnell weggetupft, das Skalpell durchtrennte die Fettschicht und legte die schwach rosa schimmernde Aponeurose frei.
»Schere!«
Dr. Krohnen hätte es nicht zu rufen brauchen. Die OP-Schwester hatte sie bereits hingehalten. Sie kannte jeden Griff des Chirurgen, sie wußte, was gebraucht wurde.
Still, wortlos fast, arbeiteten Dr. Krohnen und Dr. Behrend.
»Kippen!«
Der Operationstisch wurde gekippt. Der Kopf Irenes lag jetzt tiefer. Ihre Beine ragten in die Luft. Die Därme in der großen Operationswunde rutschten in den Leib zurück. Die Blase und die Därme wurden mit warmen Tüchern abgedeckt. In der Tiefe des Bauches lag ein großer, praller Ballon, in dem es leise pulste. Der Uterus, die Gebärmutter.
Mit schnellen Händen tupften Dr. Behrend und die mitassistierende Medikamentenschwester die Bauchhöhle von Blut frei.
»Puls flach«, sagte die Narkoseschwester vom Kopfende her. Sie hielt den Atemsack fest und griff mit einem Haken nach Irenes Zunge, damit diese nicht nach hinten rutschte und die Narkotisierte ersticken ließ. »Atmung flatternd.«
Dr. Krohnen nickte. Er griff wieder
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