Auf Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela
gesehen, wie eng Landschaft,
Geschichte und Kunst miteinander verknüpft sind.
Die Fülle dessen, was wir in
der Folge sehen, kann man nicht annähernd beschreiben. Ein Wort vorweg. Kunst
in Spanien: Die Kunst Nordspaniens verbindet in einmaliger Weise Romanik,
Gotik, maurische Formen im mozarabischen und Mudéjar-Stil, die den Silberschmieden
abgeschaute „platereske“ Fassadenkunst der Renaissance und die nach dem
Baumeister Churriguerra aus Salamanca benannte barocke Nachfolge des plateresco
miteinander. Wenn wir auch aus Deutschland Vergleichsfälle kennen — etwa die
barock verkleidete Gotik Bambergs oder das Zusammenspiel von fränkischer
Frühromanik, hoher Gotik und Barock in Aachen — , so sind wir doch überrascht
von dem ganz unbefangen-einheitlichen Stil-Kosmos der spanischen Kathedralen.
Hanns Buisman schreibt dazu: „Für unser Auge ist das gemeinsame der Stile
einprägsamer als ihre Unterschiede. Gerade dies ist spanisch, der fließende
Übergang von einem Stil zum anderen. Die tiefe Zäsur, der große Bruch, der im
übrigen Abendland zwischen Gotik und Barock klafft, als Renaissance und Reformation
ein neues Weltgefühl begründeten, ist Spanien nahezu erspart geblieben.“ 18
Santo Domingo de Silos,
Christus als „Jakobuspilger“ in der Emmausszene
Nach der Überfahrt über den
Somport erleben wir Jaca: „Nur wenige Schritte sind es von unserer Raststätte
zur Kirche von Jaca, der ersten romanischen Kathedrale Spaniens ... Am
Seitenportal in der Mitte der Südseite schauen wir bedeutende Kapitelle,
Meisterwerke der romanischen Bildhauerkunst. Stichworte mögen hier genügen: das
Opfer des Isaak, Bileam mit dem Esel, David mit seinem musikalischen Hofstaat.“ 64
Dann fahren wir auf die großen
Zentren nordspanischer Kathedralkunst zu: Pamplona, Burgos, León, Santiago,
Oviedo..., und dazwischen liegt noch so viel Wichtiges und Schönes!
Pamplona: Königsstadt von
Navarra. Münzfunde haben bestätigt, daß die Stadt auf dem römischen
Siedlungskern steht. Pompejus spielte hier eine Rolle, die im Namen der Stadt
nachklingt. — Über die Begegnung Karls des Großen mit Pamplona, die wir von
Einhard und vom Karlsschrein im Aachener Dom kennen — „PAMPELUN“ ist hier in
Gold getrieben — , haben wir schon gesprochen, dann von dem nördlich von
Pamplona gelegenen Roncesvalles, dem Pyrenäenpaß der Rolandsage. Und
Jahrhunderte später: Ignatius von Loyola gehört nach Pamplona, als Verteidiger
und Offizier, als Bekehrter, als Gründer des Jesuitenordens und Promotor der
Gegenreformation!
In Pamplona sehen wir nicht das Kunstdenkmal, sondern eine Stadtlandschaft von großem Reichtum. Die Kathedrale,
in der heutigen Form über einer romanischen Vorgängerin vom 14. Jahrhundert bis
wahrscheinlich 1527 erbaut, ist eine dreischiffige gotische Kirche mit späteren
Zutaten. Ihr Zentrum sind die Königsgräber von Navarra. Im gotischen Kreuzgang
sehen wir wunderschönes Maßwerk und Plastiken von der Verkündigung und der
Anbetung der Könige.
Wenn man in Pamplona war, ist
es aufregend, Ernest Hemingways „Fiesta“ zu lesen. Dieser Roman hat viele
Aspekte, die faszinieren. Hemingway „untertreibt“. Es wiegt daher schwer, wenn
er nach der Ankunft seines Helden (ist er das selber?) in Pamplona sagt: „Am
Ende der Straße sah ich die Kathedrale und ging auf sie zu. Das erste Mal, als
ich sie sah, fand ich die Fassade häßlich, aber jetzt mochte ich sie gern. Ich
ging hinein. Es war düster und dunkel, und die Säulen gingen hoch hinauf, und
es beteten Leute, und es roch nach Weihrauch, und sie hatte ein paar wunderbare
große Fenster. Ich kniete nieder und betete für alle, an die ich denken
konnte... (Ich freue mich sehr, daß auch der große Dichter und Abenteurer
Hemingway, der seinem Leben selbst ein Ende setzte, zu unserer Pilgergemeinde
gehört!) . .. und die ganze Zeit kniete ich und hatte meinen Kopf auf das
Holz vor mir gelegt und dachte eigentlich, daß ich betete, und dann schämte ich
mich ein bißchen, daß ich ein so schlechter Katholik war, aber ich war mir klar
darüber, daß sich daran nichts ändern ließe, wenigstens jetzt nicht, und
vielleicht nie, aber daß es auf jeden Fall eine große Religion war, und ich
wünschte nur, daß ich religiös hätte fühlen können, aber vielleicht ging es das
nächste Mal.“ 19 — Wir sehen die
schönen alten Adelspaläste, die mittelalterlichen Straßen, die Kirchen San Nicolas
— eine Wehrkirche — , San
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