auf Safari
Amy wiederholen.
„Hat sie gesprochen? Hat sie Ihnen alles erzählt?“
Das war Simon, aber er sprach so leise, daß Mrs. Pollifax ihren Schlafsack verließ und über den Boden kroch um das Ohr dicht an die Plane legen zu können.
„Nur so eine unwahrscheinliche Geschichte, die ich keinen Augenblick glaube. Wieviel Zeit bleibt uns noch, ehe wir sie umbringen?“
„Bis Sikota kommt. Wir treffen ihn morgen bei Einbruch der Dunkelheit auf einem alten Friedhof jenseits der Lusaka-Mumbwa-Straße. Lebend könnte sie uns allerdings von Nutzen sein, wie die Ziege, mit der man Löwen fängt.“
Wir haben keine Zeit zu verlieren“, sagte Mrs. Lovecraft ungeduldig. „Am Samstag muß ich mich aus den Staub gemacht haben, und ihr auch. Wir können sie nicht mitnehmen; innerhalb der nächsten zwanzig Stunden müssen wir sie uns vom Hals schaffen, ob sie den Mund aufmacht oder nicht.
Ich dachte gleich…“
„Das war Ihre Idee, Tsa.“
„Werden Sie nicht unverschämt“, fuhr sie ihn an. „Wenn Sie gute Arbeit leisten, wird sie sprechen, das versichere ich Ihnen. Sie ist eine Närrin, aber sie könne eine clever Närrin sein. Schlagen Sie härter zu, Simon, und dann…“
Ihre Stimmen wurden leiser, als sie sich entfernten und Mrs.
Pollifax legte sich zitternd in ihren Schlafsack zurück. „Wenn Sie gute Arbeit leisten, wird sie sprechen, das versichere ich Ihnen…“
Die Worte hingen noch in der Luft. Die Erkenntnis, daß ihre wildesten Vermutungen Wirklichkeit werden sollten, war alles andere als erfreulich. Simon hatte es nicht nötig gehabt zu lauschen, weil Amy Lovecraft die Geisel nur gespielt hatte, in der Hoffnung, daß Mrs. Pollifax ihr anvertrauen würde, was sie Simon verschwiegen hatte.
Sie hätte das Komplott früher durchschauen müssen. Es hatte genug Anzeichen gegeben: die Art, wie Mrs. Lovecraft gefesselt worden war; die Tatsache, daß sie sich so ruhig verhalten hatte; ihr Wortwechsel mit dem Fahrer unterwegs. Und dann Mrs.
Lovecrafts Ungläubigkeit ihrer Geschichte gegenüber. Mrs. Pollifax war auch klar, daß Simon in Kafwala genau gewußt hatte, wen er entführen mußte, was bewies, daß in der Gruppe jemand eingeweiht war. Jetzt fiel Mrs. Pollifax auch das Rascheln in den Palmen im Safaridorf Chunga nach ihrem Verhör durch Leutnant Bwanausi wieder ein und daß sie Mrs. Lovecraft im Büro gesehen hatte. Und dann der von Crispin erwähnte Funkspruch, den Mrs.
Lovecraft gesendet hatte. Alle Achtung vor ihrem schauspielerischen Talent. Amy hatte in der Gruppe die mannstolle Frau vollkommen glaubhaft gespielt.
Aber wie lange würde sie einer Folter standhalten können, fragte sich Mrs. Pollifax jetzt, als sie ihre Situation überdachte, die hoffnungsloser war als bisher geglaubt. Bis zur Morgendämmerung würden sie hierbleiben, hatte Simon gesagt. Er kam bestimmt bald zurück, um sie, von Amy instruiert, härter zu schlagen oder noch Schlimmeres zu tun. Zwanzig Stunden Fahrt und Folter lagen vor ihr, und danach sollte sie umgebracht werden. Und keiner würde je erfahren, warum. Sie konnte sich den weiteren Verlauf der Geschichte gut vorstellen: Nach ihrer Ermordung würden Simon, Reuben und Mainza von Sikota aus dem Park herausgeschmuggelt werden und nach einer angemessenen Zeitspanne käme Amy aus dem Busch getaumelt mit ein paar künstlichen Kratzern und Prellungen und einer schrecklichen Version von Mrs. Pollifax’
Ermordung nach einem Fluchtversuch. Und wer würde ihr nicht glauben? Amy war die Heldin.
Bis vor kurzem hatte Mrs. Pollifax geglaubt, es stünden drei Männer gegen zwei Frauen. Jetzt waren es plötzlich vier gegen einen und die vierte war Amy. Mrs. Pollifax wußte nun, was es heißt, verlassen zu sein.
Die Zeltplane hob sich – Mrs. Pollifax konnte den Sternenhimmel sehen – und Amy Lovecraft schlich auf Zehenspitzen zu ihrem Schlafsack. Sie hatte sich gerade hineingelegt, als draußen ein Schreckensschrei zu hören war.
Simon rief: „Laßt die Lichter an! Reuben?“
„Hier, Simon.“
„Sei still! Warte!“
Mrs. Pollifax sprang auf, lief zur Plane und überließ Amy ihrer Schauspielerei, die darin bestand, daß sie atemlos auffuhr und rief: „Was ist das? Was hat mich geweckt?“ Ohne sie zu beachten, schaute Mrs. Pollifax hinaus. Die Lichter am Baumast brannten noch, aber Simon und Mainza standen regungslos da und spähten in den Wald.
Sie folgte ihren Blicken und sah einen großen Schatten auf das
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