Auf Schreckenstein gibt's täglich Spaß
Schein der Hofbeleuchtung sie nicht mehr treffen konnte. Es war allerhöchste Zeit. Schon kamen drei Gestalten aus der Garage und schoben ein Motorrad in den Burghof. Ihnen folgten weitere fünf mit einem kleinen Wagen. Es war, wie sich im matten Schein der Sparbeleuchtung erkennen ließ, Gießkannes alter Zweitakter.
Andi und Herbert warteten, ob noch weitere Ritter mit Fahrzeugen folgen würden, doch es blieb still.
„Was haben die nur vor? Wollen die vielleicht abhauen?“ fragte der kleine Herbert im Flüsterton.
Andi schüttelte den Kopf. „Dann wären sie nicht in den Hof gekurvt, sondern raus, über die Zugbrücke.“
„Und was machen wir jetzt?“ wollte Herbert wissen. „Ihnen nachgehen. Was denn sonst?“
Andi fasste nach Herberts Hand und zog ihn hinter sich her in den Hof. Als sie wieder an die Stelle kamen, von wo sie die Treppe sehen konnten, blieb er stehen.
Das Bild, das sich ihnen bot, war selbst für einen hartgesottenen Ritter mehr als ungewöhnlich. Halb schiebend, halb tragend wuchteten die dunklen Gestalten das Motorrad und Gießkannes Zweitakter die Steintreppe hinauf, ohne den geringsten Laut, ohne Keuchen oder irgendwelche Kommandos. Eine trotz der flachen Stufen imponierende Leistung.
„Mensch!“ flüsterte Herbert. „Das ist das Tollste, was hier je gemacht wurde! Wo wollen die nur hin mit den Dingern?“
„Das wird sich ja herausstellen. Frag nicht so viel. Wenn sie droben sind, schleichen wir hinterher.“
Sie warteten, bis auch das Auto hinter den Flügeltüren zum Schultrakt verschwunden war.
„Jetzt“, sagte Andi, und sie huschten an der Hauswand entlang zur Treppe. Dort hielten sie inne, sahen sich um, lauschten und krochen auf allen vieren im Schutz des Steingeländers an der Nachtbeleuchtung vorbei hinauf. Die Flügeltüren standen offen; im Flur war es dunkel. Wieder hielten sie inne und lauschten. Nichts war zu hören.
„Die müssen schon weiter sein“, flüsterte Andi und huschte hinein.
Der Klassentrakt war durch eine weitere Flügeltür von dem nächsten, sich quer daran anschließenden Flur getrennt. Auch diese Tür stand offen. Andi sah vorsichtig um die Ecke und prallte zurück.
„Da vorn sind sie“, flüsterte er. „Wir müssen warten.“ Und plötzlich meinte Andi: „Die sind ja wahnsinnig!“, doch es klang nach Bewunderung.
„Hast du etwas gesehen?“ fragte Herbert.
„Nein“, sagte Andi. „Ich habe nur das Dielenbrett krachen hören. Aber da der Flur Steinboden hat, bedeutet das, dass sie schon auf der nächsten Treppe sind.“
Vorsichtig tasteten sie sich von Schrank zu Schrank vorwärts bis zur Treppe. Wieder hörten sie das leise Ächzen eines Dielenbretts. Andi hatte sich nicht geirrt: Stephan und Ottokar besaßen tatsächlich die Kaltblütigkeit, die beiden Fahrzeuge geräuschlos in den zweiten Stock zu transportieren! Vorbei an den Zimmern der schlafenden Ritter! Aber wo wollten sie nur hin damit?
Jetzt war von oben das Geräusch eines Reifens zu hören, wie es entsteht, wenn Vorderräder bei stehendem Fahrzeug eingeschlagen werden. „Sie sind oben!“ flüsterte Andi. „Komm!“
Geräuschlos, immer zwei Stufen nehmend, tasteten sie sich am Geländer die Treppe hinauf bis zu dem mit Steinfliesen belegten Absatz und von dort in der entgegengesetzten Richtung weiter hinauf.
Als Andi oben angelangt war und um die Ecke sah, glaubte er seinen Augen nicht trauen zu können: Am Ende des Flurs stand die Doppeltür zum Esssaal weit offen. Drinnen, im fahlen Schein einer abgeblendeten Taschenlampe, wuchteten vier Mann gerade das Motorrad auf einen der Tische, auf dem Stephan stand, mit dem Fuß die Abstellstütze herunterklappte und die Maschine nach hinten zog.
An einem anderen Tisch legten Eugen und Pummel, die Andi jetzt deutlich erkennen konnte, zwei Profilbleche in Spurbreite an.
„Was ist das?“ fragte der kleine Herbert. „Das sind die Ladeschienen vom Feuerwehrwagen, über die man den Handkarren mit dem langen Schlauch herunterlässt.“
Stephan und Ottokar hatten wirklich an alles gedacht. Gießkannes Wagen wurde mit den Vorderrädern auf die Schienen geschoben, so weit, bis auch die Hinterräder auf die Schräge kamen. Sofort wurden zwei Keile untergelegt, die ein Zurückrollen verhinderten, und gemächlich kurbelten zwei Ritter an zwei alten Wagenhebern die Schienen hinten hoch, dass es nur noch ein Kinderspiel war, den Wagen auf den Tisch zu schieben. Ottokar öffnete die Tür und zog die Handbremse an, während
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