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Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Titel: Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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ließ es sich nicht nehmen, ihn im Stehen anzuziehen.
    »Erzähl«, sagte sie und setzte sich neben ihn.
    Und das tat er. Er rührte sein Glas nicht an, während er die Ereignisse dieses Vormittags schilderte, die Beerdigung von Signorina Montini, an der außer ihm selbst noch Vianello und Doktor Rizzardi sowie zwei, drei Kollegen aus ihrem Labor teilgenommen hatten.
    Paola stellte keine Fragen, damit der Schwung seiner Erzählung nicht verlorenging.
    »Die Trauerfeier war in San Polo, obwohl sie eigentlich zur Gemeinde Frari gehörte. Aber der Pastor dort wollte ihr nicht die Messe lesen.« Er lehnte sich an die Armlehne des Sofas, um sie besser sehen zu können. »Eine traurige Veranstaltung. Wir hatten Blumen geschickt, ansonsten aber war alles kahl. Der Priester sah während der Messe zweimal auf die Uhr und sprach danach jedes Mal etwas schneller.« Und Brunetti, schwitzend und erschöpft nach einer schlaflosen Nacht, saß in der Kirchenbank und kam nicht los von der Erinnerung an die Szene keine zwei Wochen zuvor, als er auf dem campo nicht weit von dieser Kirche darauf gewartet hatte, dass Vianellos Tante aus dem Haus dieser Frau herauskam.
    Er sah den schlichten Sarg, die drei Kränze, Weihrauch hing in der Luft. »Aber wenigstens ging es schnell«, erzählte er Paola. »Dann wurde sie nach San Michele gebracht.«
    »Und du bist hierhergekommen?«, fragte sie.
    Brunetti antwortete erst nach einigem Zögern: »Vorher habe ich Vianello noch einen Gefallen getan.«
    »Was denn?«
    »Ich habe mit seiner Tante gesprochen.«
    Paola konnte ihre Überraschung nicht verbergen. »War die nicht für zwei Wochen mit ihrem Sohn verreist?«
    Brunetti stand auf und warf ein Scheit ins Feuer, rückte es mit einem anderen zurecht und kehrte aufs Sofa zurück. »Warum haben wir Feuer so gern?«, fragte er.
    »Steinzeitlich. Wir können nicht anders. Höhlen. Mammuts. – Erzähl mir von Vianellos Tante«, sagte Paola. Den Drink in ihrer Hand hatte sie längst vergessen.
    »Sein Cousin hatte ihn am Vorabend angerufen und ihm gesagt, sie sei nach Venedig zurückgekommen. Also sind wir nach der Beerdigung bei ihr vorbeigegangen.«
    »Als ob die Beerdigung noch nicht genug gewesen wäre, wie?«, sagte sie und tätschelte sein Knie.
    »Es war besser so«, sagte er. »Lorenzo hatte ihr von mir erzählt, also wusste sie ungefähr, wer ich bin. Und ich glaube, sie vertraut mir. Egal, wie wütend sie auf ihren Sohn oder auf ihn sein mochte, mir hat sie immerhin zugehört.«
    »Was hast du ihr erzählt?«
    »Alles, was wir über Gorini herausgefunden haben. Und ich habe ihr die Polizeiberichte zu lesen gegeben.«
    »Und damit gegen die Geheimhaltungsvorschriften verstoßen?«, fragte sie.
    »Schon möglich.«
    »Gut. Was hat sie dazu gesagt?«
    »Nachdem sie alles gelesen hatte, stellte sie mir ein paar Fragen; was die verschiedenen Abteilungen der Polizei unternommen haben und ob die Dokumente glaubwürdig seien.«
    »Du hast es ihr gesagt?«
    »Ja.«
    »Und wo war Vianello?«
    »Der hat neben uns auf einem Stuhl gesessen und sich unsichtbar gemacht.«
    »Und? Hat sie dir geglaubt?«
    »Am Ende blieb ihr nichts anderes übrig«, sagte Brunetti. Die energische Frau, der er noch vor kurzem durch die Via Garibaldi gefolgt war, hatte mit Tränen in den Augen, schweigend und angespannt zwischen ihm und Vianello gesessen, ihre runzlige Hand um die Papiere gekrallt, als könne sie die Wahrheit aus ihnen herauspressen.
    »Was dann?«
    »Sie brauchte eine Weile, aber dann hat sie uns alles erzählt«, sagte Brunetti; er übersprang, dass die alte Frau die Papiere zu Boden fallen ließ und nach einem Taschentuch kramte, um sich die Tränen zu trocknen. »Sie hatte einen besonderen Kräutertee für ihren Mann gekauft, nachdem seine Labortests ergeben hatten, dass er Diabetes im Anfangsstadium hatte.« Er entkorkte die Flasche, schenkte sich etwas Obstler nach und schlug den Korken mit der Handfläche wieder rein.
    »Dann sagte sie zu Vianello, sie habe sich wie eine Idiotin benommen«, erzählte Brunetti, und es schien ihn zu erheitern, »und dass sie ihren Sohn anrufen und ihn um Verzeihung bitten wolle.«
    »Was hat Vianello getan?«
    »Er sagte ihr, sie solle keine Umstände machen, er werde sie auf der Stelle wieder zu ihrer Familie bringen, die ja noch in den Ferien ist.«
    »Und du?«, fragte sie.
    »Ich bin mit dem Zug hierhergekommen«, sagte er, ohne seine Verärgerung über das theatralische Getue von Vianellos Tante zu erwähnen.

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