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Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Titel: Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Brunettis Jugend Karten gespielt hatte: »Es geht um eine Mordsache.«
    Die junge Frau erhob sich mit einer Geschwindigkeit, bei der ihr in einer nicht klimatisierten Umgebung der Schweiß auf die Stirn getreten wäre. Sie sah Brunetti an, wandte den Blick ab, griff zum Telefon und wählte eine Nummer.
    »Hier möchte jemand Dottor Fulgoni sprechen«, sagte sie; sie hörte kurz zu und erklärte dann: »Ein Polizist.« Sie lächelte Brunetti verbindlich zu, sagte »Sì«, wiederholte es und legte auf.
    »Ich bringe Sie hin«, sagte sie, achtete darauf, ihm nicht zu nahe zu kommen, und ging ihm voraus in den hinteren Teil der Bank.
    Brunetti hatte einmal in irgendeiner Zeitschrift einen Artikel gelesen, in dem erklärt wurde, dass die Lage der einzelnen Zimmer innerhalb eines Hauses mit unserer instinktiven Urangst vor Gefahr zu tun hat. Die Zimmer, in denen Menschen am wehrlosesten waren, lagen ausnahmslos – so jedenfalls stand es in dem Artikel – möglichst weit vom Eingang entfernt, also der Stelle, an der jemand ins Haus eindringen konnte. Schlafzimmer befanden sich demnach im oberen Stock oder im hinteren Teil des Hauses, so dass der Eindringling mit seinem Schwert oder seiner Keule sich erst einmal durch weniger gut geschützte Stellungen durchschlagen musste, was dem Hausherrn ausreichend Zeit gab, sich auf Flucht oder Verteidigung einzustellen.
    Dementsprechend würde Signora Fulgoni inzwischen ihren Mann angerufen haben, in der Hoffnung, er möge durch ein Hinterzimmer entweichen oder wenigstens seine Kriegsaxt schärfen.
    Im Innersten der Bank gelangten sie schließlich vor eine Tür, die links und rechts von je einem Schreibtisch flankiert war – Brunetti fühlte sich an Bücherstützen erinnert, die eine kostbare Inkunabel umrahmten. Vor einem der Tische stand eine junge Frau; der andere war unbesetzt.
    Seine Führerin blieb stehen, wies auf Brunetti und sagte: »Das ist der Polizist.«
    Am liebsten hätte sich Brunetti laut knurrend mit seinen Pranken auf den Braten gestürzt, aber er lebte in einem Land, das Geld vergötterte und Polizisten nur höchst widerwillig Zutritt zu seinen Heiligtümern gestattete. Also lächelte er der zweiten jungen Frau liebenswürdig zu, und die drehte sich um und öffnete, ohne anzuklopfen, die Tür. Dottor Fulgoni wusste Bescheid.
    Der Mann kam Brunetti bereits entgegen. Er trug einen nüchternen dunkelgrauen Anzug, eine kastanienbraune Krawatte mit feinem Linienmuster und in der Brusttasche ein kastanienbraunes Tüchlein. Nach irgendwelchen Anzeichen für die weibliche Ausstrahlung, die ihm bei der Beerdigung aufgefallen war, suchte Brunetti vergebens.
    Seine Haltung war aufrecht, sein Haar gut geschnitten, seine Züge klar, die Augenbrauen spitz. »Verzeihen Sie, Commissario, man hat mir Ihren Namen nicht genannt«, sagte Fulgoni mit wohltönend tiefer Stimme. Er gab Brunetti die Hand und führte ihn zu einem Sofa an einer Wand des Büros.
    Brunetti stellte sich vor und nahm in dem Ledersessel vor dem Sofa Platz; Fulgoni ließ sich auf dem Sofa nieder. Er hatte stark hervortretende Wangenknochen und eine lange Nase. »Darf ich Ihnen etwas anbieten, Commissario?«, fragte er. Seine Stimme war angenehm, sehr melodisch, und er sprach reines Italienisch ohne irgendeinen regionalen Akzent oder Tonfall.
    »Vielen Dank, Dottore«, sagte Brunetti. »Vielleicht später.«
    Fulgoni lächelte und bedeutete der jungen Frau, dass sie gehen konnte.
    »Meine Frau hat mich angerufen und mir von Ihrem Besuch erzählt«, sagte Fulgoni. »Sie sagte etwas von Unstimmigkeiten bezüglich der Zeit, zu der wir in der Nacht von Signor Fontanas Ermordung nach Hause gekommen sind.«
    »Ja«, sagte Brunetti, »unter anderem.«
    Fulgoni heuchelte keine Überraschung. »Ich nehme an, meine Frau hat klargestellt, wann wir nach Hause gekommen sind.«
    »Das hat sie, und sie hat mir von Ihrem Pullover erzählt und dass Sie danach suchen gegangen sind«, sagte Brunetti.
    Fulgoni antwortete nicht sofort; er sah Brunetti, der ihn beobachtete, forschend ins Gesicht. Schließlich sagte er: »Ach ja. Der Pullover.« An der Art, wie Fulgoni das letzte Wort betonte, erkannte Brunetti, dass dieser Pullover für ihn von enormer Bedeutung war, aber worin die bestehen könnte, blieb ihm verborgen.
    »Sie sagte etwas von einem grünen Pullover. Als Sie von Ihrem Spaziergang zurückkamen, hätten Sie bemerkt, dass Sie ihn unterwegs verloren hatten. Sie meinte, der Pullover sei Ihnen wichtig – als

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