Auf Umwegen ins Herz
Innenraum seines Autos weiter abkühlte. Ich kam mir vor wie in einem Eisschrank. Als wir endlich vor meiner Wohnung hielten, war ich froh, aus dem Wagen raus zu kommen und nicht länger auf so engem Raum mit ihm sein zu müssen. Mit seiner Abfuhr hatte er mich zutiefst gekränkt, und mir wurde wieder bewusst, dass ich viel zu leichtgläubig war.
Ich Idiotin, was hatte ich mir nur eingebildet? Dass er sich geändert hätte?! Schon wieder falle ich auf diesen Typen rein! Aber ich würde weder neben ihm zu heulen beginnen, noch würde ich ihm eine Szene machen. Diese Genugtuung ließ ich ihm nicht. Mein Abgang sollte würdevoll sein – und stolz. Denn nichts anderes hatte er verdient. Ich würde ihm nicht noch einmal eine Träne schenken.
Schwungvoll öffnete ich die Autotüre, und Julian drehte die Musik etwas leiser. Den Motor ließ er laufen – war das sein Wink mit dem Zaunpfahl, dass ich möglichst rasch ausstieg? Ich zwang mich, ihm in die Augen zu sehen, doch ein Lächeln brachte ich nicht zustande.
„Danke fürs Essen und für den schönen Nachmittag. Auf Wiedersehen, Julian.“ Ich schaffte das, ohne dass meine Stimme wegbrach. Ich war mir nicht sicher, ob ich tatsächlich ein leises „Tschüss“ aus seiner Richtung vernahm, aber es war mir auch egal. Ich musste endlich raus aus dem Wagen. Die Tür schlug ich fester zu, als beabsichtigt, und ging in Richtung Wohnblock. Ich spürte, wie die Tränen in meine Augen schossen und meine Sicht verschwamm.
„Jana!“ Mist. Verdammt!
Ich blieb stehen und wischte schnell über meine Wangen. Erst dann drehte ich mich zu Julian um. Der hatte das Fenster herabgelassen und lehnte sich über den Beifahrersitz, um mich zu sehen. Sein Gesicht war … schmerzverzerrt, oder war es … Wut? Ich hatte keinen blassen Schimmer mehr, was die Interpretation seiner Mimik betraf.
„ Du warst der Grund, Jana. Wegen dir ging ich nicht mehr ins ‚Boot’ . Ab dem Moment, wo du weg warst, gab es für mich nichts mehr, weswegen ich noch dort sein wollte.“
Kapitel 8
Das Geständnis
An diesem Montagnachmittag saß ich unkonzentriert vor meinem Bildschirm und bastelte an einer Modestrecke über mehrere Seiten. Müde rieb ich mir meine Augen und blickte gedankenverloren aus dem Fenster. Der Himmel hatte seine Stimmung der meinen angepasst, es regnete aus dicken grauen Wolken.
Mit einem lauten Seufzer lehnte ich mich in meinen Schreibtischsessel zurück und rieb meinen schmerzenden Nacken. Julian war pures Gift für mich. Oder zumindest für meinen Schlafrhythmus. Gestern hatte ich wieder lange wach gelegen und seine letzten Worte in alle möglichen Richtungen gedreht und gewendet.
„Kaffeepause!“ Die Tür zu meinem Büro flog auf, und Isa fegte mit einem breiten Grinsen herein, in jeder Hand einen Becher dampfende Koffeinbrühe. Gestern hatte ich keine Lust mehr gehabt, sie anzurufen und den Nachmittag mit Julian bis ins kleinste Detail zu zerlegen. Ich ließ sie in dem Glauben, dass wir ein romantisches Mittagessen hatten, und, da ich heute Mittag mit dem Produktionschef und der Redaktionsleiterin essen gewesen war, musste sie förmlich platzen vor Neugier. Kein Wunder, dass sie plötzlich mein Büro stürmte – Wachmacher als Bestechungsmittel. Wobei ich ihr für diesen wirklich dankbar war, denn er war genau das, was ich jetzt am nötigsten brauchte.
Isa drückte mir einen der Becher in die Hand und setzte sich mit ihrem Hintern auf meinen Schreibtisch. Doch als sie mein gequältes Lächeln sah, verschwand ihre gute Laune, und eine Sorgenfalte bildete sich auf ihrer Stirn.
„Hey … Was ist los, Süße? Verlief die Besprechung zu Mittag nicht so, wie erwartet?“
Träge schüttelte ich den Kopf, eigentlich wollte ich nicht darüber reden. „Nein. Eher die von gestern.“
„Julian? Was hat er getan? Sieh mich an!“ Ihre Fürsorge rührte mich.
„Er hat … ich weiß nicht … mich verwirrt. Zuerst war er unglaublich. Dann unerhört. Und dann unheimlich.“
„Jana, ich versteh nur Bahnhof.“
Ich erzählte ihr alles in Kurzfassung – detaillierter als die ultrakurze von eben – und sah sie dann erwartungsvoll an. Vielleicht konnte sie sich ja einen Reim auf ihn machen.
Nachdenklich schwieg meine Freundin und nippte an ihrem Kaffee. „Sag mal, wie er die letzten Sätze genau formuliert hat. Wie war sein Tonfall? Herablassend? Verletzt?“
„Hm …“ Ich zögerte und überlegte. Ich hatte in den letzten Stunden den Moment, bevor er fuhr, wieder und
Weitere Kostenlose Bücher