Auf Umwegen ins Herz
perfektem Augenaufschlag und gekonntem Haare-über-die-Schulter-werfen.
Zum Glück fiel mir wieder ein: „Ja, ähm … apropos Träume …“ Ich musste mich kurz räuspern. „Du hast geschickt von meiner Frage abgelenkt. Aber jetzt bist du an der Reihe!“
Julian kraulte Neele den Kopf, den sie auf seinen Oberschenkel gelegt hatte. Nachdenklich sah er auf einen fernen Punkt.
„Also gut. Wo ich mich in fünf Jahren sehe … Lass mal überlegen … Nun, ich kann nicht sagen, dass sich alles, was ich mir wünsche, bereits in diesem Zeitraum so ergeben wird. Kann sein, dass manche Dinge viel früher passieren, andere mehr Zeit brauchen. Aber meine Wünsche für die Zukunft sind eigentlich ganz simpel.“
Er legte seinen Arm an die Rückenlehne und rückte dabei näher an mich heran. So nah, dass ich innerhalb kürzester Zeit von seinem Duft umgeben war. Dabei sah er mir tief in die Augen. Und vielleicht waren diese beiden Tatsachen mit schuld daran, dass seine Worte mein Herz um einige Takte schneller schlagen ließen.
„Ich wünsche mir eine Frau an meiner Seite. Eine, mit der ich lachen und weinen kann, die die Abende und Nächte mit mir verbringt, die am Wochenende mit mir in die Berge fährt. Eine Frau zum Pferdestehlen, zum Maroniessen auf dem Weihnachtsmarkt und zum Eisessen am Badesee. Eine, die zu mir steht und für mich da ist, egal, welche Hürden das Leben für uns stellt.“
„Das war jetzt aber nur ein Wunsch, oder? Du hast von mehreren gesprochen …“ Der Klang meiner Stimme faszinierte mich, da sie sich plötzlich irgendwie von weither anhörte. Musste wohl an dem lauten Schlagen der Schmetterlingsflügel in meinem Inneren liegen. Sein Schmunzeln verstärkte es noch.
„Ja … und nein. Also irgendwann möchte ich auch einmal Kinder haben. Ich möchte ihnen ein gutes Zuhause schenken, ein tolles Leben, eine schöne Zukunft. All die Dinge, die ich mir als Kind immer wünschte.“ Seine Stimme klang belegt, und ich konnte nicht anders, ich musste seine Hand drücken.
So saßen wir eine halbe Ewigkeit.
Der Wind wehte mir hartnäckig immer wieder eine Haarsträhne vor die Augen. Julian hob zaghaft die Hand und beobachtete dabei genauestens meine Reaktionen. Vorsichtig strich er sie mir hinter mein Ohr, und ich hielt die Luft an, als er die empfindliche Haut in meinem Gesicht streifte.
„Weißt du eigentlich, dass du wunderschön bist, Jana?“, durchbrach er leise die Stille. „Du hast so unglaublich schöne grüne Augen. Sie sind so warm, strahlen so eine Herzlichkeit aus. Deine Haare sind so weich, und sie riechen so gut. Dein Mund …“
Sein Blick hing an ihm fest, und – als wollte er ihn schmecken –, leckte er über seine Lippen, was wiederum die meinen veranlasste, sich leicht zu öffnen, in der Hoffnung, seinen Mund endlich, endlich! darauf zu spüren.
„Als wir Verstecken spielten und du dich zu mir in den Spind geschlichen hast … Auch wenn du es mir vielleicht nicht glaubst, aber du hast damals meinen Traum wahr werden lassen, Jana. Du warst immer so distanziert, und ich wusste nicht, was du über mich dachtest. Die anderen Mädchen liefen mir ständig nach, doch du … du warst anders. Du hast dich immer im Hintergrund gehalten, hast mich zwar beobachtet, aber bist nie auf mich zugekommen. Das hat mich neugierig gemacht. Während ich bei den anderen die Qual der Wahl gehabt hätte, wollte ich immer nur dich. Ich habe immer davon geträumt, dass du dich für mich interessierst, mehr wissen willst …“
What? Ungläubig lauschte ich seinen Worten. Er wollte mich ? Und ich dachte immer, meine Gefühle für ihn wären einseitige Schwärmerei gewesen.
„Du weißt ja inzwischen, dass der Selbstmord meines Vaters mein Leben verändert hat. Doch meine Gefühle für dich … die sind immer gleich geblieben. Oder nein … das stimmt so nicht. Sie wurden mehr und tiefer.“ Gebannt nippte ich an der Wasserflasche.
„Als du dann plötzlich bei mir im Spind gelandet bist, war es um mich geschehen. Ich konnte meine Gefühle nicht länger zurückhalten. Deine Nähe hat mir die Sinne geraubt, und mein Herz schlug so laut, dass ich Angst hatte, das Klopfen würde dich in die Flucht schlagen.“
„Julian, ich …“
Er legte seinen Zeigefinger an meine Lippen und bat mich so, zu schweigen. „Bitte, lass mich dir erst alles sagen, was ich schon vor langer Zeit hätte sagen sollen.“
Sein Finger hinterließ ein Kribbeln auf meinem Mund, als er seine Hand wieder zurückzog und
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