Auf und ab - Mord in Hellwege
ich Ihnen Herrn Holten vorstellen.«
Die vier Polizisten wandten den beiden nun ihre Aufmerksamkeit zu, und Dr. Bergner fügte hinzu:
»Maximilian Holten, ein ehemaliger Kollege, jetzt leider pensioniert.«
Das leider drückte Bergners Wertschätzung für die Arbeit des ehemaligen Kriminalbeamten aus, was Holten mit einer gewissen Befriedigung zur Kenntnis nahm.
»Und außerdem weiß er, wer der Tote ist.«
Sie grüßten durch Kopfnicken oder Heben der Hand.
Richard Tessmann kam heran und begrüßte ihn mit Handschlag. Sie kannten sich noch aus Holtens aktiver Zeit.
Tessmann und Rosmarie Nase waren Cornelius von Tatens unentbehrliche Mitarbeiter, sie arbeiteten schon seit geraumer Zeit zusammen und waren routinierte Kriminalbeamte. Ohne sie war von Taten hilflos, das wusste jeder in der Abteilung, ohne sie könnte er seine scharfsinnigen und zutreffenden Berichte nicht schreiben.
Tessmann war groß und schlank, stets korrekt gekleidet, einundvierzig Jahre alt, verheiratet. Er hatte viel Erfahrung, arbeitete sehr genau, fast pingelig, ihm entging nicht der kleinste Hinweis. Nase war klein, fast zierlich, immer in Jeans und Pullover unterwegs, dreiunddreißig Jahre alt und freiwillig ledig, wie sie manchmal betonte. Sie arbeitete mehr aus dem Bauch heraus und hegte manchmal Vermutungen zu merkwürdigen und unwahrscheinlichen Zusammenhängen, mit denen sie aber oft richtig lag. Beide ergänzten sich hervorragend.
Die beiden Beamten der Spurensicherung hießen Fred Doberling und Kurt Schuster, ziemlich jung, und Holten sah sie zum ersten Mal.
Tessmann notierte sich die Informationen, die Holten ihm geben konnte, und wandte sich dann, wie die anderen auch, seiner Arbeit zu.
Es wurde wenig gesprochen. Man konnte sehen, dass ein eingespieltes Team bei der Arbeit war.
Holten trat einen Schritt zurück und versuchte, die in seinem Kopf herumschwirrenden Gedanken wegzuwischen. Er ahnte, dass ihn diese Sache noch länger beschäftigen würde.
Warum Wilhelm, sein Nachbar? Ein fleißiger und rechtschaffener Familienvater nicht als Unfall-, sondern als Mordopfer? Viele andere hätten verdient, so zu enden. Er spürte ein unbestimmtes Gefühl der Wut in sich aufsteigen, hatte sich aber schnell wieder in der Gewalt.
Jetzt war es wieder alles so wie früher.
Er atmete tief durch und ließ seinen Blick, einem langsamen Kameraschwenk gleich, über den gesamten erleuchteten Bereich wandern. Er musste zunächst den Ort des Geschehens in seiner Gesamtheit in Augenschein nehmen, stand ungefähr zehn Minuten nur da und beobachtete. Danach wanderte er umher, hielt zwischendurch inne, um Details zu betrachten, und bewegte sich dann weiter.
Immer, wenn er früher als Ermittler an einen Tatort gekommen war, hatte diese Prozedur stattgefunden, und das passierte heute aus alter Gewohnheit wieder. Er wirkte dabei, als würde er ein Bild in seinem Kopf malen, welches so detailliert sein musste, dass man sich an jede Kleinigkeit erinnern konnte, wenn man es im Geiste vor sich sah. Manchmal schien es so, als ob er in sich hineinsah, um das Gesehene mit dem Bild in seinem Kopf zu vergleichen. Wenn ihn jemand in dieser Zeit störte, wurde er oft sehr ungehalten.
Früher hatte er Auffälliges noch auf seinem Block, den er immer bei sich trug, festgehalten. Das tat er heute als Privatier natürlich nicht.
An diesem Abend störte ihn niemand, und er steckte nun wieder vollständig in der Rolle des Ermittlers, die er eigentlich nie mehr hatte spielen wollen.
Im Licht der Scheinwerfer bot sich ihm ein abscheulicher Anblick:
Der Leichnam schien, auf dem Rücken liegend, auf abstoßende Weise mit dem metallenen Gefährt verwoben. Der Kopf und die Beine sahen relativ unversehrt aus, der Körper jedoch war regelrecht zerquetscht und mit großer Gewalt in das Fahrradwrack hineingedrückt worden, sodass das eine Pedal oben auf der Bauchoberseite zum Vorschein gekommen war. Das ausgetretene Blut hatte sich mit der hellen, trockenen Oberfläche des Waldweges, der die sommerliche Konsistenz von Lotsand hatte, zu einer zähen, dunklen Masse vermischt. Holten dachte an das letzte fröhliche Gespräch, das er vor einigen Tagen mit seinem Nachbarn gehabt hatte, und musste den Blick abwenden.
Dr. Bergner hatte recht gehabt. Es war zu erkennen, dass ein großer Wagen mit breiten Reifen, ein kleiner LKW vielleicht, ungefähr zehn Meter weiter auf dem Weg gewendet hatte und noch einmal über Mensch und Fahrrad hinweggefahren war.
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