Auf und ab - Mord in Hellwege
Polizistentrick der Welt:
»Hast du eigentlich davon gewusst?«
Er spürte mehr als dass er sah, wie ein Schleier über ihre Augen huschte. Sie schüttelte den Kopf.
»Nein.«
Als er bereits auf dem Weg zur Straße war, rief sie ihm hinterher:
»Was meinst du eigentlich?«
Er winkte ihr zu und antwortete nicht. Er war sich sicher, sie hatte es gewusst.
Den gesamten Nachmittag über versuchte Holten, die Gedanken an den Fall Lehmberg abzuschütteln und an etwas anderes zu denken. Wieder einmal war ihm nicht klar, wie und wo er weitermachen sollte. Er hatte es jedoch oft erlebt, dass es für ihn häufig hilfreich war, wenn er sich auf einem gänzlich anderen Gebiet betätigte, um die festgefahrenen Gedanken zu einem bestehenden Problem zu lockern.
Deshalb kam es ihm sehr gelegen, dass für heute ein musikalischer Übungsabend mit seiner Band eingeplant war, und er hatte genug damit zu tun, sich vorzubereiten. Er musste die nötigen Unterlagen und Aufnahmen zusammenbringen und brauchte einige Stunden, um die nötigen Abläufe, Texte, Stimmen und Fingersätze einzuüben.
Um neunzehn Uhr verließ er das Haus, und wenige Minuten vor Mitternacht war er zufrieden und entspannt wieder daheim.
Sein Fall holte ihn jedoch wieder ein.
Seine liebe Susanne war von ihrem Lehrgang zurückgekehrt, und er war sehr erstaunt, dass sie noch wach war. Sie saß, eine Illustrierte lesend, im Wohnzimmer, und auf dem Tisch sah Holten zwei leere Rotweingläser stehen. Bis vor kurzer Zeit musste also noch Besuch da gewesen sein.
»Anja war heute Abend noch hier, sie ist eben erst gegangen«, begrüßte sie ihn, als hätte sie seine Gedanken gelesen.
»Und hattet ihr einen netten Abend?«, fragte er und nahm sie in die Arme.
»Eigentlich nicht. Was sie erzählt hat, war nicht gerade nett. Willst du mal raten?«
Was sollte schon sein? Hatte der Älteste die Schule geschmissen, war die Große schwanger und wusste nicht von wem, oder war die Kleine beim Ladendiebstahl erwischt worden? Seine Musikerkollegen und er hatten hart gearbeitet, er war einigermaßen erschöpft und war nicht zu Ratespielen aufgelegt, also zuckte er nur mit den Schultern, bevor er sich auf das Sofa warf und die Beine lang ausstreckte.
»Ich brauche jetzt etwas Erfrischendes.«
»Das hat noch einen Moment Zeit«, erhielt er als Antwort.
Das klang irgendwie merkwürdig, und sie fuhr fort:
»Bernd ist verhaftet worden.«
Das saß. Er setzte sich wieder auf.
»Bernd ist verhaftet worden? Warum?«
Ihm war zwar klar, dass von Taten Kasing als Hauptverdächtigen betrachtete, doch gerade weil dies von Tatens Idee war, hatte er eigentlich nicht damit gerechnet, dass noch irgendjemand anders dieser Meinung sein könnte und er einen Haftbefehl bekommen würde.
»Na, wegen Mordverdachts ja wohl. Von Taten war heute Mittag wieder einmal bei Kasings. Er hat noch einmal das Haus und das Büro durchsucht, Bernd und Anja verhört und die Gewehre mitgenommen. Nach Feierabend haben sie ihn abgeholt.«
»Idioten«, entfuhr es Holten.
»Anja war ganz aufgelöst und hat sich erst einmal ausgeweint. Dann hat sie sich erkundigt, ob du nicht irgendetwas gefunden hast, um ihn zu entlasten«, berichtete sie.
»Ich konnte sie nur mit einem großen Quantum Rotwein beruhigen. Und, hast du nun?«
Er zögerte mit der Antwort. Zu viel hatte er in der Zwischenzeit erfahren.
»Ja, gefunden habe ich schon etwas. Für mich. Ich weiß, dass ich auf dem richtigen Weg bin, wenn ich in Richtung Fliegerei weiterermittle. Aber jetzt haben sich noch zwei neue Möglichkeiten aufgetan.«
»Was heißt das nun wieder? Sprich nicht in Rätseln.«
Er stand auf, ging zum Schreibtisch und warf ihr wortlos den Umschlag, den er von Lehmbergs mitgenommen hatte, auf den Tisch. Sie holte einige Briefe und Fotos aus dem Umschlag und bekam große Augen, während er ihr erzählte, was er am Vormittag und in den vergangenen Tagen erfahren hatte.
Susanne schaute schweigend und fasziniert auf die auf dem Tisch ausgebreiteten Fotos, und als sie sich nicht äußerte, klagte Holten:
»Aber als Entlastung für Bernd reicht es nicht, und in von Tatens Augen erst recht nicht. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde auch ich Bernd verdächtigen. Ich befürchte fast, er wird eine Zeit lang nicht zu Hause sein.«
Er stand auf, holte sich den letzten Kaffee aus der Küche und überlegte dabei, was er überhaupt wusste. Zurück im Wohnzimmer fasste er dann laut für seine Frau zusammen:
»Erstens: Wilhelm war
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