Auf verlorenem Posten
ihnen gut. Sandra ist gerade zum Commander befördert worden, und es sieht ganz so aus, als könnte sich Bob frühzeitig für den TLF qualifizieren. Keith und Fred gehen immer noch zur Schule, und keiner von beiden scheint sich für die Navy zu interessieren, aber …« Sie gingen langsam die Passage entlang und unterhielten sich entspannt.
23.
Medusa wirkte noch immer wie der langweiligste Planet den sie jemals zu Gesicht bekommen hatte, fand Honor, während sie wieder einmal über dem visuellen Hauptdisplay brütete. Allmählich schien es, als könnten äußere Eindrücke täuschen. Sie erinnerte sich daran, einmal von einem uralten Fluch von Alterde gelesen zu haben, welcher dem Verfluchten wünschte, in ›interessanten Zeiten‹ zu leben. Heute ergab das für sie wesentlich mehr Sinn als damals beim Lesen.
Sie unterdrückte ein Seufzen, schritt zu ihrem Sessel hinüber und ließ sich hineinsinken, ohne offiziell die Wache von McKeon zu übernehmen. Ihre Gedanken waren beschäftigt.
Hauptmanns Besuch lag zwei Tage zurück. Zwei ganze Tage ohne eine einzige neue Katastrophe reichten aus, um Honor vor lauter Erwartung eine Gänsehaut zu verschaffen. Nicht, daß es keine ›interessanten‹ Entwicklungen gegeben hätte. Dame Estelles höllenfeurige Beschreibung ihres Gesprächs mit Gräfin Marisas Kurier war eine davon. Honor hätte vorher nicht im Traum daran gedacht, die vornehme Residierende Kommissarin könnte so urgewaltig erzürnt werden. Dame Estelle hatte ausgesehen, als wollte sie Stücke aus dem Mobiliar herausbeißen, doch nachdem Honor der Wiedergabe der Besprechung zugehört hatte, konnte sie die Stimmung der Adligen sehr gut nachvollziehen.
Anscheinend erhielt Gräfin Marisa seitens New Kiever Finanzkreise im allgemeinen und dem Hauptmann-Kartell im besonderen erheblichen Druck. Auf der Grundlage von Dame Estelles Bemerkungen keimte in Honor der Verdacht, daß die großen manticoranischen Handelskartelle der Kasse der Freiheitspartei mehr Mittel zukommen ließen, als sie je gedacht hätte. Der Gedanke eines Bündnisses zwischen den parlamentarischen Verfechtern erhöhter Wohlfahrtsausgaben und den Industriekapitänen erschien Honor ein wenig bizarr, doch irgend etwas, das mit der Opposition zusammenhing, mußte den Industriellen Probleme bereiten. Warum sonst hätte Gräfin Marisa beschlossen, Dame Estelle die Daumenschrauben anzusetzen und sie zurückzupfeifen?
Honor war erstaunt, von der Kommissarin zu erfahren, daß Gräfin Marisa in unmißverständlichen Worten die Anweisung erhalten hatte, die Finger von den Einsätzen der Navy im Basilisk-System zu lassen. Das mußte ein herber Schock für die Ministerin gewesen sein, dachte Honor voll insgeheimem Entzücken. Es bestätigte ihre Vermutung, daß jemand weiter oben in der Befehlskette ihr Tun begrüßte. Zum ersten Mal seit der Annexion des Basilisk-Systems war der Ministerin für Medusianische Angelegenheiten gesagt worden – und zwar recht direkt und unverblümt –, daß ihre Autorität in der obersten Atmosphärenschicht des Planeten endete. Es war lange überfällig gewesen, die Autorität und Verantwortung der Flotte im Basilisk-System geltend zu machen, obwohl Honor wenig Zuversicht spürte, daß es so bleiben würde, wenn man bedachte, welche Sorte Schiffe und Offiziere hier normalerweise eingesetzt wurden.
Doch Gräfin Marisa war mit der gegenwärtigen Lage nicht im geringsten zufrieden. Vermutlich hatte ihre Autorität innerhalb der eigenen politischen Domäne bereits Einbußen erlitten.
Honor hatte das wütende Leuchten in den Augen der Kommissarin nicht ganz begriffen, bis diese aufhörte zu schäumen und begann, über die politische Situation in der Heimat zu spekulieren. Natürlich verstand Honor nicht viel von den Vorgängen innerhalb des Parlaments von Manticore. Sie bevorzugte die Navy, wo die Befehlskette im allgemeinen deutlich war, ganz egal, welche Kämpfe im Hintergrund zwischen Fraktionen und Machtgruppen abliefen. Doch Dame Estelle schien die byzantinischen Spielregeln zu begreifen und überzeugt zu sein, daß unter der Oberfläche etwas Tiefgreifendes, Kompliziertes und wahrscheinlich Drastisches vor sich ging – und was immer es war, es lief schlecht für Gräfin Marisa.
Honor konnte Matsukos Ausführungen so weit folgen, denn Dame Estelle hatte erklärt, daß Gräfin Marisa als eine der Anführerinnen der Opposition ihren gegenwärtigen Posten als Ministerin für Medusianische Angelegenheiten nur deswegen
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