Auf verlorenem Posten
zu Fuß oder auf dem Rücken eines Jehrns reist. Ich schätze, er kommt von irgendwo in der Nähe des Mossyback-Plateaus, vielleicht ein bißchen weiter südlich. Etwa sieben- bis achthundert Kilometer im Norden des Deltas.«
»Kann er es so weit geschafft haben, in seinem Zustand?«
Isvarian warf Montaya einen Blick zu. Der Lieutenant schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, Ma’am. Ich bin kein Experte für Medusianer, aber ich habe mit dem Arzt der Klinik gesprochen. Angesichts des Zustands des Patienten und der kurzen Zeit, die er noch lebte, nachdem er hier war, wäre ich überrascht, wenn er nach seiner letzten Pfeife mehr als zwanzig oder dreißig Stunden auf den Beinen gewesen wäre.«
»Wie weit kann er in dreißig Stunden gekommen sein, Barney?«
»Keine siebenhundert Kilometer, Captain, soviel steht fest. Medusianer sind zu Fuß schneller als wir, doch selbst mit einem Jehrn könnte er in seinem Zustand nicht mehr als zwo-, allerhöchstens dreihundert Kilometer geschafft haben.«
»Also gut. Damit haben wir eine gewisse Vorstellung, wo wir nach möglichen Begleitern suchen müssen.«
»Richtig.« Matsuko nickte fest. »Barney, ich möchte, daß so schnell wie möglich eine Patrouille dorthin geschickt wird.«
»Jawohl, Ma’am.«
»Senden Sie etwas mit einer gewissen Kampfkraft«, warnte Honor. »Nur, um sicherzugehen.«
»Unter der Leitung von jemandem, der in der Gefahr einen kühlen Kopf bewahrt«, stimmte Matsuko zu, und Isvarian nickte wieder.
»Ich kann einen bewaffneten Zehn-Mann-Gleiter gleich bei Tagesanbruch dort unterwegs haben«, sagte er. »Sagen wir, in acht Stunden.«
»Gut. In der Zwischenzeit«, sagte Honor mit schelmischem Grinsen, »werde ich die Nachtruhe einiger meiner Leute stören – warum sollte es ihnen besser gehen als mir? Ich weiß nicht, ob wir zu grundlegend neuen Erkenntnissen kommen werden, aber es kann nicht schaden zu fragen. Und ich werde Papadapolous ebenfalls benachrichtigen. Er wird wahrscheinlich mit Ihnen direkt sprechen wollen, Barney.«
»Das geht in Ordnung. Dame Estelle hat meinen persönlichen Comcode. Das Regierungsgebäude kann mich über einen abgeschirmten Kanal erreichen, wo immer ich bin.«
»Schön. In diesem Fall ziehe ich mich nun lieber an, Dame Estelle, wenn Sie und Barney mich entschuldigen. Ich werde Sie in ein paar Stunden wieder anrufen, um Sie wissen zu lassen, ob sich etwas ergibt – oder Ihnen mitzuteilen, daß sich nichts ergeben hat.«
»Vielen Dank, Honor.« Die Erleichterung in Dame Estelles Stimme war unüberhörbar, und Honor lächelte, als sie die Verbindung beendete.
Es war ein Lächeln, das sofort einem besorgten Stirnrunzeln wich, als der Bildschirm dunkel wurde.
Sie stand abrupt auf und sah sich nach ihrer Uniform um.
25.
Honor ließ den Blick über die Offiziere schweifen, die am Tisch des Besprechungsraums saßen. Außer Cardones, der die Wache hatte, war jeder Ressortoffizier oder Diensttuende Ressortoffizier anwesend. Ensign Tremaine saß ebenfalls am Tisch, denn Honor wollte seine Erfahrung mit dem Planeten in die Diskussion einfließen lassen. Nachdem sie die Wiedergabe ihres Gesprächs mit Dame Estelle beendet hatte, machten die Offiziere ernste und besorgte Gesichter.
»Das wäre also die Lage«, fügte sie leise hinzu. »Erst jetzt verfügen wir über klare Hinweise, daß wir es mit einer verdeckten Operation von Fremdweltlern zu tun haben und nicht mit den Umtrieben einer Verbrecherbande. Allerdings kennen wir weder ihre Endziele, noch wissen wir, wann und wie es losgehen soll.«
McKeon nickte und beschrieb mit einem Griffel zufällige Kreise in der Luft, während er nachdachte. Dann hob er den Kopf.
»Eine Sache, die wir bedenken sollten, Ma’am: Wie verläßlich sind die Informationen des sterbenden Nomaden? Könnte dieses Mekoha ihn dazu gebracht haben, Dinge zu hören und zu sehen, die gar nicht vorhanden waren? Oder Dinge mißzuverstehen, die da waren?«
»Das ist ein Punkt«, stimmte Honor zu. Sie sah quer über den Tisch zu Lois Suchon. »Doktor? Wie lautet Ihre Meinung?«
» Meine Meinung, Captain?« In Suchons Stimme lag so etwas wie Bockigkeit, und ihre Schultern vollführten ein rasches, eingeschnapptes Achselzucken. »Ich bin Navyärztin. Ich weiß überhaupt nichts über die Physiologie der Abos.«
Honor preßte die Lippen zusammen und starrte die Ärztin lang und unverwandt an. Suchons dunkles Gesicht lief rot an, doch sie starrte voller dickköpfigem, kleinlichem Trotz
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