Auf verlorenem Posten
zurück. Suchon weiß, daß sie gedeckt ist , dachte Honor voller Abscheu. Die Ärztin war über die Lage auf dem laufenden gehalten worden und wußte, wie wichtig Informationen über die Auswirkungen von Mekoha auf Medusianer sein konnten, doch niemand hatte sie ausdrücklich aufgefordert, die von der NPA verfügbare Literatur zu diesem Thema einzusehen. Jemand hätte es tun sollen, dachte Honor. Jemand wie Commander Honor Harrington, die genau wußte, daß nichts außer einem direkten Befehl Suchon dazu bringen konnte, sich aus ihrem bequemen Stuhl zu erheben und irgend etwas zu tun.
»Sehr schön. Ich werde diesen Punkt mit Dame Estelle – und Lieutenant Montaya – nach dieser Konferenz besprechen, Mr. McKeon.« Honor gab eine Notiz in ihr Memopad und lächelte dünn, als Suchons Mund sich bei der Erwähnung ihres abwesenden Untergebenen verzog. Sie begegnete dem sengenden Blick der Ärztin mit kühlen, braunen Augen, bis Suchon ärgerlich wegsah.
»Ich halte die Frage für sehr gut«, fuhr Honor nach einem Augenblick fort, »doch lassen Sie uns zunächst einmal annehmen, die Informationen wären korrekt.« McKeon nickte, und Papadapolous hob die Hand. »Ja, Major?«
»Die schlechten Neuigkeiten könnten auch ein Gutes haben, Ma’am«, stellte der Marineinfanterist in Aussicht. »Major Isvarians Leute sollten in der Lage sein, daraus einige neue Erkenntnisse über die Fähigkeiten der Stakser zu ziehen. Vielleicht läßt sich sogar ein wahrscheinliches Ziel außerhalb des Deltas benennen. Wenn der Major diesen Schamanen finden könnte, dann könnten wir ihn möglicherweise mit einer Razzia in Panzeranzügen überraschen und ihm seine Waffen abnehmen und vielleicht sogar ihn selbst verhaften –, bevor er auch nur nahe genug an die Enklaven herankommt, um ein Risiko darzustellen.«
»Das ist wohl möglich«, antwortete Honor. »Andererseits müssen wir mit solchen Dingen sehr vorsichtig sein. Dame Estelle hat ausdrückliche Anweisung erhalten, daß die NPA sich nicht in religiöse Angelegenheiten der Eingeborenen einzumischen hat. Ohne die Genehmigung der Kommissarin kann ich mich nicht einseitig in planetare Belange einmischen. Solange die unmittelbare Verwicklung einer fremden Macht nicht bewiesen ist, sind Dame Estelle – und damit auch uns – die Hände gebunden, bis und falls die Anhänger des Schamanen ihre Waffen wirklich benutzen.«
»Verstanden, Captain. Aber ich fühle mich wesentlich wohler, wenn ich nur weiß, wohin ich schauen und worauf ich achten muß. Ich würde mich ihnen wirklich lieber auf freiem Gelände stellen, wo wir Luftunterstützung, Beweglichkeit und die größere Waffenreichweite einsetzen können, als wenn wir uns innerhalb einer Enklave aus nächster Nähe mit ihnen anlegen müssen.« Honor nickte zustimmend.
Der Marine lehnte sich zurück. Er hatte seinen Teil beigetragen.
Alles, was darüber hinausging, war Sache der Navy, und in seine Augen trat ein gewisses Desinteresse, während er abwartete, daß sie es hinter sich brachten.
»Wissen Sie, Skipper«, sagte Dominica Santos langsam, »ich habe darüber nachgedacht, was Sie gesagt haben. Daß all das nur ein Teil eines Plans von Fremdweltlern sei.« Honor legte den Kopf schräg, und die Ingenieurin machte eine knappe Handbewegung.
»Der einzig logische Verdächtige ist Haven, Ma’am. Ich weiß, wir können nichts beweisen, aber wer sonst sollte so etwas tun? Und selbst wenn Haven unschuldig wäre, sollten wir nicht trotzdem weiterhin voraussetzen, Haven stecke dahinter? Was ich sagen will: Keiner könnte uns so sehr schaden wie die Haveniten; wenn wir davon ausgehen, daß sie dahinterstecken und uns irren, dann geben wir uns keine große Blöße. Aber wenn Haven der Übeltäter ist und wir uns nicht gestatten, das anzunehmen, dann werden wir wahrscheinlich etwas Entscheidendes übersehen, oder nicht?«
»Da hat sie recht, Skipper«, sagte McKeon. »Da hat sie definitiv recht.«
»Das meine ich auch.« Honor trommelte leise mit den Fingerspitzen auf den Tisch, dann sah sie dem Eins-O direkt ins Gesicht. »Nehmen wir mal einen Augenblick lang an, wir hätten es mit einer verdeckten havenitischen Operation zu tun, Mr. McKeon. Würden Sie glauben, daß die Havies so etwas in Gang setzen und dann ruhig abwarten, wie es sich unbeeinflußt entwickelt?«
»Das kann ich nicht einschätzen«, mußte McKeon nach kurzem Nachdenken zugeben. »Aus dem Bauch heraus würde ich nein sagen, aber ohne das Endziel zu kennen, kann man
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