Auf verlorenem Posten
nicht im Stich lassen, wenn’s drauf ankommt, und« – jetzt sah sie Honor wieder in die Augen – »genausowenig wird Alistair uns im Stich lassen. Was auch immer das Problem ist, er wird Sie nicht im Stich lassen, wenn es wirklich drauf ankommt, Skipper. Das …« Sie schwieg wieder und wedelte mit der Hand. »Das wollte ich nur sagen.«
»Ich verstehe, Dominica«, antwortete Honor sanft.
»Jawohl, Ma’am.« Santos erhob sich und sog scharf die Luft ein, dann tätschelte sie Nimitz ein letztes Mal und zog die Schultern hoch. »Nun, ich glaube, ich kümmere mich lieber um diese Anzapfungen, Skipper«, sagte sie ein wenig flotter und durchschnitt wie McKeon und Cardones zuvor die Luke.
Nimitz kauerte sich auf Honors Schoß nieder, um den Sellerie zu Ende zu fressen, und Honor lehnte sich zurück und streichelte seine Flanke in langen, langsamen Zügen, während sie über Santos’ Worte nachdachte. Die LI mußte viel Mut haben – und sehr besorgt sein, daß sie riskierte, sich auf diese Weise eine Blöße zu geben. (Es kam Honor nicht in den Sinn, sich zu fragen, ob ihre eigenen Handlungen oder ihr eigenes Beispiel etwas mit Santos’ Offenheit zu tun haben könnten.) Sie überlegte, daß die meisten Offiziere darauf bedacht gewesen wären, sich von einem I. O. zu distanzieren, von dem sie glaubten, er habe den Unmut der Kommandantin erregt, damit nichts von der Unzufriedenheit des Captains auf sie zurückfiele. Und es war genauso wichtig, wie Dominica gesagt hatte, was sie gesagt hatte. Ihre Besorgnis und ihre Anteilnahme waren sehr deutlich gewesen und bezogen sich zuerst auf das Schiff und dann erst auf McKeon, doch daß MeKeon ihr etwas bedeutete, war offensichtlich.
Und wichtig, entschied Honor. Es sprach für einen Offizier, wenn seine Untergebenen ein gutes Wort für ihn einlegten, besonders wenn es sich um die Untergebene handelte, die am meisten davon profitierte, wenn er bei der Kommandantin in Ungnade fiele. Abgesehen davon untermauerten Santos’ Anmerkungen ihren eigenen Eindruck, McKeon kämpfe gegen etwas in seinem Innersten – gegen etwas, das auch die LI nicht völlig verstand.
Dominica Santos hätte niemals für einen Offizier gesprochen, von dem sie glaubte, er verdiene nicht ihre Verteidigung, ganz egal, wie sehr sie ihn persönlich mochte. Dessen war Honor sich sicher, und als sie sich die Begegnungen mit McKeon ins Gedächtnis rief, wurde ihr klar, daß die Ingenieurin recht hatte. Wo auch immer das Problem lag, wie hart es ihn auch ankam, seiner Kommandantin auf halbem Wege entgegenzukommen, seinen Job tat er dennoch. Nicht so gut, wie er gekonnt hätte, nicht ohne eine ausgesprochen gefährliche Distanz und Sprödigkeit und keineswegs so, wie Honor es bevorzugt hätte, aber er tat seine Arbeit, zwang sich dazu, auch wenn der Zwiespalt in seinem Innersten offenkundig war.
Honor seufzte, erhob sich und beförderte Nimitz auf ihre Schulter, wo er sich den letzten halben Zentimeter Sellerie ins Maul stopfte. Dann drückte er sein Kinn auf ihr kurzes Haar und kaute glücklich. Sie verschränkte die Arme hinter dem Rücken und steuerte auf die Luke zu.
Es war einfach nicht fair. Sie sollte ihrem Eins-O keine Zugeständnisse und sich keine Gedanken darüber machen müssen, ob er sie unterstützte und welche inneren Konflikte seine Pflichterfüllung beeinträchtigten. Doch niemand hatte je behauptet, das Leben sei fair, und nach der Tradition der RMN gab es keine schlechten Crews, sondern nur schlechte Captains. So sehr Honor sich auch wünschte oder es sogar brauchte, daß er seine Barrieren fallen ließ, es war ihre Aufgabe, mit ihm zusammenzuarbeiten – oder ihn zu ersetzen. Und sie konnte ihn nicht ersetzen; nicht allein deswegen, weil die Chemie zwischen ihnen nicht stimmte.
Und auch nicht, dachte sie, als die Luke sich öffnete, weil Santos recht hatte. Irgendwie wußte Honor, daß Alistair McKeon – egal was an ihm nagte – sie nicht im Stich lassen würde, wenn es darauf ankam.
17.
»Mr. Tremaine, würden Sie sich das einmal ansehen?« Ortungstechniker Erster Klasse Yammata klopfte auf das Display vor sich, und Scotty Tremaine beugte sich vor. Für das ungeübte Auge hätte der blasse Lichtfleck im Zentrum des Bildschirms alles und nichts sein können; bedachte man, wonach sie suchten, so wußte Tremaine, daß er nur eins bedeuten konnte.
»Wie groß?« fragte er.
»Augenblick.« Yamrnata verstellte einige Kontrollen und runzelte nachdenklich die Stirn. »Ich schätze,
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