Auf zehn verschlungenen Wegen einen Lord erlegen
Glück gebracht.“
20. KAPITEL
E s war keine Hochzeit gewesen, wie man sie sich gemeinhin vorstellte.
Nick war am frühen Vormittag zurückgekehrt, nachdem er die Nacht zuvor nach York geritten war, um eine Sondererlaubnis zu erwirken. Auf dem Rückweg holte er den Pfarrer von Dunscroft aus dem Bett und beorderte ihn nach Townsend Park, um dort die Trauung vorzunehmen. Ihm selbst blieb kaum Zeit, sich umzuziehen. Aus seinem zerzausten Äußeren und den tiefen Schatten unter seinen Augen schloss Isabel, dass er nicht mehr geschlafen hatte, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten.
Sie heirateten im Studierzimmer des Earls, mit Lara und Rock als Trauzeugen. Beim Zeremoniell beschränkte man sich auf das Nötigste; aus Respekt vor dem Gedenken ihres Vaters, wie man dem Pfarrer erklärte.
Dieser hatte auch nichts dagegen einzuwenden gehabt, so beeindruckt war er gewesen von der Sonderlizenz, vom Erzbischof höchstpersönlich handsigniert.
Auch Isabel hatte keine Einwände gehabt.
Schließlich war es so die beste Lösung.
Und so schworen sie sich, einander zu lieben und zu ehren, und sie schworen sich ewige Treue. Beim Kuss wandte sie den Kopf ein wenig zur Seite, denn sie hätte es nicht ertragen, in diesem Augenblick, da sie aus den völlig falschen Gründen heirateten, seine Lippen auf den ihren zu spüren.
Kaum dass der Pfarrer sich verabschiedet hatte, war auch sie aus dem Haus geflüchtet, hinaus in den Park und das sich im Westen anschließende Weideland. So war sie eine ganze Weile umhergewandert und hatte nachgedacht.
In ihrem kurzen Leben hatten sich ihr schon viele Gesichter der Ehe gezeigt: Liebesheiraten, die in Einsamkeit und Verzweiflung endeten; Ehen, die als Zuflucht gedacht und die Hölle auf Erden geworden waren; Vernunftehen, die genau das geblieben und nie zu leidenschaftlichen Romanzen erblüht waren.
In jenen seltenen Momenten, da Isabel sich erlaubte, sich Fantasien von einer Heirat hinzugeben, hatte sie immer von einer Ehe geträumt, die mehr war als stille Verzweiflung, Einsamkeit und Pflichterfüllung. Ironie des Schicksals, dass die ihre nun genau darauf gründete.
Zwei Tage zuvor hatte sie noch geglaubt, dass die Ehe mit Lord Nicholas all ihre Träume wahr machen, ihr Glück und Liebe bescheren könnte.
Sein Name lautete Nicholas Raphael Dorian St. John.
Es war das Einzige, das sie über ihren frisch angetrauten Gatten mit Gewissheit sagen konnte.
Draußen auf dem Moor hatte der Wind aufgefrischt, und das lange Gras peitschte um Isabels Beine, während sie stur geradeaus bis an die Grenze der Townsend’schen Ländereien lief. Ländereien, die sich seit Generationen im Besitz ihrer Familie befunden hatten.
Ländereien, die aufgrund dessen, was sie heute getan hatte, für künftige Generationen bewahrt blieben. Zumindest das, was ihnen noch gehörte und nicht schon längst verkauft worden war.
Doch nicht so selbstsüchtig .
Sie schloss die Augen vor dem Gedanken. Als sie sie wieder öffnete, sah sie den morschen Zaun der westlichen Gemarkung vor sich. Wieder etwas, das repariert werden musste.
Sie hatte ihn nicht des Geldes wegen heiraten wollen. Oder weil sie seines Schutzes bedurfte. Oder weil der Duke of Leighton ihr keine andere Wahl gelassen hatte.
Dennoch hatte all das auch mitgespielt.
Oder etwa nicht?
„Nein“, flüsterte sie, und ihre Stimme wurde vom Wind davongetragen, verlor sich im Rascheln des Grases.
Sie hatte ihn heiraten wollen, weil sie ihn liebte. Oder ihn lieben könnte . Und weil er sie liebte.
Aber dazu war es nun zu spät.
Eine Erinnerung an gestern blitzte auf und schien so lang her, eine ferne Vergangenheit. Sie hatte ihn zurückgewiesen, doch er hatte es so interpretiert, als bedürfe sie seiner. Als könnten sie hier nicht überleben, wenn er sie alle nicht rettete. Als ob ihre Zeit abgelaufen sei.
Und er hatte recht gehabt.
Isabel wischte sich eine Träne von der Wange. Sie schaffte es nicht länger, alles zusammenzuhalten.
Und das machte ihr furchtbare Angst.
Denn wer war sie noch, wenn sie nicht länger die Herrin von Townsend Park war, die Hüterin von Minerva House, die auf alles eine Antwort wusste, an die jeder sich mit seinen Sorgen wandte?
Was sollte nur aus ihr werden?
„Isabel!“ Der Ruf, begleitet von Hufschlägen, riss sie aus ihren Gedanken, und als sie sich umdrehte, sah sie Nick im Sattel seines großen Grauen auf sich zuhalten. Wie erstarrt blieb sie stehen, als er die Zügel anzog, aus dem Sattel sprang und auf
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