Auf zehn verschlungenen Wegen einen Lord erlegen
wollte die glückliche, strahlende Isabel sehen. Von der ernsten, misstrauischen hatte er langsam genug.
„Lady Isabel.“ Er deutete eine Verbeugung an. „Wieder einmal begegnen wir einander unter etwas … wunderlichen Umständen.“
Sie machte einen flüchtigen Knicks. „Lord Nicholas. Wenn Sie nicht immer ungebeten auftauchten, würde ich längst keinen so wunderlichen Eindruck machen.“
„Ich habe nicht Sie wunderlich genannt. Ungewöhnlich, das wohl. Faszinierend. Aber gewiss nicht wunderlich.“
Ihre Wangen färbten sich rosig. Nick sah es mit Entzücken. Am liebsten hätte er seinem Gefühl nachgegeben, doch dann fiel ihm James ein, den er ganz vergessen hatte. Er drehte sich um und hockte sich vor den Jungen. „Ich mag Schildkröten sehr, Lord Reddich. Und dies scheint ein besonders prächtiges Exemplar. Darf ich es mir mal ansehen?“
Stolz hielt James ihm seine Schildkröte hin. Nick musterte sie eingehend. „Fesches Kerlchen.“
James strahlte. „Er heißt George, wie der König.“
„Der König kann sich glücklich schätzen, einen solchen Namensvetter zu haben.“
„Ich habe ihn im Frühling gefunden. Damit er sich bei uns wohlfühlt, haben Izzy und ich ihm ein Terrarium gebaut. Das hat ein paar Wochen gedauert, aber jetzt ist es richtig gut geworden.“
Überrascht sah Nick zu Isabel auf. Eine Frau, die so viel ihrer allem Anschein nach kostbaren Zeit auf das Zuhause einer Schildkröte verwandte, machte ihn gar noch neugieriger. „Wirklich?“, fragte er, den Blick noch immer auf sie gerichtet. „Welch ehrenwertes Unterfangen.“
Mit einem gereizten Schnauben sah Isabel beiseite und verschränkte die Arme hinter dem Rücken, wobei sich der Stoff ihres Kleides straff über ihren Brüsten spannte.
Er verbot sich, darauf zu achten.
Sie hat schöne Brüste .
„Wenn wir das Terrarium nicht umstellen, wird George bald Land unter sein“, lenkte sie Nicks Aufmerksamkeit zurück auf das eigentliche Problem. „Das Dach hat es jetzt auch auf die Schildkröte abgesehen.“
Sie zeigte nach oben. James und Nick folgten ihrem Blick. Tatsächlich tropfte es durch die Decke, und Georges Behausung stand mitten in der Schusslinie.
„Wie praktisch, dass Sie gerade hier sind, Lord Nicholas“, sagte Isabel trocken. „Wir könnten etwas rohe Muskelkraft gebrauchen.“
Nick hörte es mit Befriedigung, wenngleich der leise Spott ihm nicht entging. Wie schön, dass sie sich seiner Manneskraft bewusst war. „Ich freue mich, Ihnen doch noch von Nutzen sein zu können, Lady Isabel.“
Er sah ein verhaltenes Lächeln um ihre Lippen spielen, ehe sie sich wieder dem Terrarium zuwandte. Sie war keineswegs so unerschütterlich als Frau, wie sie es gern wäre.
„Setz George dort drüben ab“, wies sie ihren Bruder an und deutete auf einen flachen Tisch am anderen Ende des Raums. „Und dann kommst du zurück und hilfst mir.“ Wieder sah sie zur Decke und überlegte, was tun.
Sie richtete ihren Blick auf Nick und zeigte auf die Ecke neben besagtem Tisch, auf dem George abgesetzt werden sollte. „Da hinten dürfte es am besten sein.“
Nick stimmte ihr zu und bezog an einem Ende des Terrariums Stellung. „Meinen Sie nicht, ich sollte Rock rufen, damit er statt Ihrer mit anpackt?“
Isabel stellte sich an das andere Ende des Kastens. „Wenn ich Hilfe bräuchte, St. John, würde ich einen Diener rufen.“
„Gewiss doch“, erwiderte Nick trocken und fragte sich, welche ihrer Dienerinnen sie wohl wählen würde. Aber wozu mit ihr streiten? Er stemmte seine Schulter gegen den Glaskasten und begann zu schieben. Gütiger Gott, war das Ding schwer. Während er einen wahren Kraftakt hinlegte, verwandte Isabel ihre Kräfte eher darauf, das gläserne Ungetüm in die anvisierte Richtung zu bugsieren. James sah ihnen gespannt zu und hielt den armen George fest umklammert.
Und auf einmal krachte der Himmel über ihnen zusammen.
Eben noch hatte er, schwer nach Atem ringend, darauf gewartet, dass Isabel sich mit seinem Werk zufrieden zeigte und Georges neue Heimstatt für gut befand, im nächsten Augenblick hörte er hinter sich ein infernalisches Krachen. Er fuhr herum und sah, dass ein großes Stück aus der Decke gebrochen und genau dort heruntergestürzt war, wo sie eben noch gestanden hatten.
Einen Moment standen sie stumm da und besahen sich den Schaden, dann stieß Isabel einen resignierten Seufzer aus. „Früher oder später musste es so kommen. Jetzt wissen Sie, warum ich gestern das Dach
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