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Auf zwei Planeten - Ungekürzte Ausgabe in zwei Büchern

Auf zwei Planeten - Ungekürzte Ausgabe in zwei Büchern

Titel: Auf zwei Planeten - Ungekürzte Ausgabe in zwei Büchern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
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Gletscherspalte würde ihr Auge dringen – sie schauerte zusammen. Vielleicht schon lag er – sie mochte das Schreckliche nicht denken. Diese furchtbare Ungewißheit – nein, das konnte, das wollte sie nicht ertragen. Und die Fragen, die ewigen, und das Mitleid – und das höhnische Zischeln, ob sie sich wohl tröstet – oh!
    Sie stampfte mit dem Fuß auf und preßte die Hände krampfhaft zusammen. Dann stand sie still wie ein Bild aus Stein. Und nun wußte sie es. Sie atmete tief auf. Die Starrheit löste sich. Ihr Entschluß war gefaßt.
    Nur sechs Stunden!
    Das Luftschiff zog sie mit magischer Gewalt an. Sie wollte fort, sie wollte an den Pol, sie würde ihn finden, den Verlorenen, sie, Isma Torm. Wenn es ein Unrecht war, daß sie um des Wunsches des Freundes willen den Mann nicht zurückhielt, so mochte dies ihre Buße sein, und die seinige!
    Sie setzte sich und überdachte alles noch einmal in voller Ruhe.
    Es war das Richtige, es mußte so sein.
    Isma erhob sich und schritt auf die Tür zu, als ihr Ell aus derselben entgegentrat.
    Er stutzte bei ihrem Anblick. Die Trauer und Angst aus ihren Zügen war verschwunden. Sie stand aufgerichtet vor ihm. Aus ihren tiefblauen Augen sprach jene Innigkeit des Gefühls, die ihn immer hingerissen hatte. Auf ihren Lippen lag es wie ein leises Lächeln.
    »Ell«, sagte sie – sie stockte einen Augenblick wie verlegen »bei Ihrer Freundschaft, wenn Sie mich liebhaben –«
    »Isma!«
    »Wollen Sie mir eine Bitte erfüllen?«
    »Was Sie wollen!«
    »Sprechen Sie bei Ihrem Oheim für mich, daß er mich in seinem Luftschiff mit nach dem Pol nimmt und mich wieder hierherbringt, wenn wir Hugo gefunden haben – ja, ja – ich werde ihn finden, wenn ich mit dem Luftschiff ihn suchen darf – o, weigern Sie sich nicht –«
    Sie faßte seine Hände und sah ihn flehend an. Zwei Tränen traten in ihre Augen.
    »Und – kommen Sie selbst mit!« setzte sie hinzu.
    Ell fand nicht sogleich Worte. Das hatte er nicht erwartet.
    »O Isma, Isma«, rief er endlich. »Was verlangen Sie? Diese Reise ist nichts für Sie. Die Nume werden selbst suchen, sie suchen schon, und was die nicht finden, werden auch Sie nicht finden.«
    »Ich werde es. Was sind fremde Augen gegen die der Frau? Ich werde sehen, wo andere nicht hinblicken. Es sind nur sechs Stunden – so nahe –, und ich soll hier müßig sitzen – den Gedanken ertrage ich nicht –«
    »Ich bitte Sie, Isma, bedenken Sie meine Lage. Jetzt darf ich, kann ich nicht von hier fortgehen. Jetzt gilt es, die Menschheit auf den Besuch der Martier vorzubereiten. Was ich seit Jahren erwartet, ich muß nun die Konsequenzen ziehen –«
    »Es handelt sich vielleicht nur um wenige Tage.«
    »Die habe ich meinem Oheim zu andern Zwecken versprochen. Und dann muß ich wahrscheinlich nach Berlin.«
    »Dann bin ich also ganz allein«, sagte Isma leise.
    »Nein, nein – ich komme bald wieder.«
    Isma wandte sich schweigend ab. Dann kehrte sie plötzlich zurück und sagte fast hart:
    »Führen Sie mich zu Ihrem Oheim, ich will ihn bitten. Und wenn Sie nicht fortkönnen, lassen Sie mich allein mitgehen. Lassen Sie mich hingehen, Ell!«
    Ell kämpfte mit sich. Mit düstern Blicken starrte er durchs Fenster.
    »Wo ist das Schiff?« fragte Isma. »Ich will die Nume bitten, sie werden einer verlassenen Frau nicht abschlagen, was der einzige Freund ihr nicht gewähren will.«
    »Isma, seien Sie vernünftig!«
    »Das Vernünftige ist die Pflicht. Und dies ist der einzige Weg, sie zu erfüllen.«
    »Und meine Pflicht ist die Versöhnung der Planeten. Dagegen muß das Geschick des einzelnen zurücktreten.«
    »Darum eben gehe ich allein.«
    »Das werde ich nie zugeben.«
    »Ich will«, sagte Isma finster. »Ich will zu meinem Mann.«
    Ell stöhnte. Er sah, wie sie entschlossen der Tür zuschritt. Sie drehte sich noch einmal um, mit tiefer Trauer im Antlitz.
    »Bleiben Sie, Isma«, rief er. »Ich bringe Ihnen Hugo, wenn es in der Macht der Menschen steht und der Nume!«
    »Nehmen Sie mich mit!«
    »Kommen Sie zu Ill. Alles hängt von seiner Entscheidung ab.«
    Ell brachte Isma zu seinem Oheim. Es hätte ihr wenig genutzt, ihre Sache bei Ill zu vertreten, wenn nicht Ell sie zu der seinigen gemacht hätte. Denn Ill verstand nicht deutsch, Ell mußte daher die Verhandlungen führen. Ill, der Isma mit herzlichster Teilnahme begegnete, versprach sofort, daß nach seiner Rückkehr mit Hilfe des Luftschiffes die sorgfältigste Durchforschung des arktischen Gebietes

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