AUFBRECHEN! - Warum Wir Eine Exzellenzgesellschaft Werden Muessen
Kompetenz nicht wahnsinnig wichtig? »Rasch in vertrautes Gespräch finden können«? Ich arbeite ja international bei IBM und kenne nicht so arg viele Leute persönlich, mit denen ich zusammenarbeite. Wir telefonieren, haben Web-Konferenzen und schreiben E-Mails. Ich muss mich auch schriftlich so äußern können, dass ich Sympathie mit der ersten E-Mail gewinne. Ich muss das in allen Medien schaffen können! Das ist eine wesentliche Kompetenz in der kommenden Internetzeit.
Und ich stelle fest: Das genau lernen wir nicht! Wir reden eher verächtlich über »Verkaufen«. Und dann schreiben wir alle Nägel kauend an Bewerbungen, die dann brutal oft zurückkommen. Warum werden manche immer zum Gespräch eingeladen und andere nie? Weil manche eben mit dem Anschreiben und dem Passbild auf Anhieb Sympathie erzeugen können und die anderen Stirnrunzeln hervorrufen. So einfach ist das – ich weiß Bescheid, ich habe viele Leute eingestellt und viele Bewerbungen gelesen. Verkaufen heißt auch, die Wünsche von Kunden zu verstehen. Bei Bewerbungen heißt das, einen feinen Sinn für die Wünsche des Einstellenden zu haben … Aber nein, eine solche Kompetenz, die an manchen Stellen unsere Lebensrichtung entscheidet, gibt es nirgends auf unserem normalen Bildungsweg zu erwerben.
Genauso wenig übt man zum Beispiel wie ein Chef, anderen Anweisungen zu geben oder Macht auszuüben. Wie erzeugt man Konsens? Wie verhandelt man? Wie wird organisiert? All das braucht man dringend als Handwerkszeug. Es kommt aber in Schule und Uni nicht vor.
Und ich gebe zu den oben aufgezählten Kompetenzen, die in Handbüchern behandelt werden und für die man Seminare belegen kann, noch ein paar dazu, die mir sehr wichtig sind:
Du-Kompetenz (Verstehen des anderen, Umgehen mit dessen Stärken und Schwächen, sensitives Akzeptieren seiner Persönlichkeit, taktvolles Umgehen mit dessen Problemen, behutsamer Umgang mit seinem Verhalten unter großem Stress, wenn wir in Gefahr sind, ihn als inakzeptablen »Mr. Hyde« wahrzunehmen)
Exzellenzkompetenz (in möglichst vielen Lebenslagen, Wissenschaften und Situationen wissen und verstehen, was »exzellent« ist)
Kompetenzkompetenz (Kennen, was im Prinzip gekonnt werden kann)
Wie ich am Beispiel der Castingkandidaten erklärte, sind wir selbst oft sehr, sehr weit von der »Verstehe dich selbst«-Fähigkeit entfernt. Wir tun uns oft leichter, besonders die Schwächen des anderen zu erkennen und dort den Finger in die Wunde zu legen, damit der andere sich ändere. Ohne gute Du-Kompetenz erziehen wir falsch, kommen mit Arbeitskollegen nicht klar, machen als Chef Mitarbeiter nieder und landen im Scheidungskrieg. Du-Kompetenz hat viel mit Liebe, Vertrauen, Mitleid, Barmherzigkeit, Seelengröße, Großherzigkeit, Takt, Ausgeglichenheit und Großzügigkeit zu tun, aber auch mit Motivierung, Coaching oder dem Schenken von Energie.
Lernen wir das? Befassen wir uns wenigstens mit Psychologie, der Lehre von den seelischen Vorgängen?
Immer wieder zitiere ich den Bildungsbegriff aus meinem alten Konfirmationsbrockhaus:
»Bildung: Der Vorgang geistiger Formung, auch die innere Gestalt, zu der der Mensch gelangen kann, wenn er seine Anlagen an den geistigen Gehalten seiner Lebenswelt entwickelt. Gebildet ist nicht, wer nur Kenntnisse besitzt und Praktiken beherrscht, sondern der durch sein Wissen und Können teilhat am geistigen Leben; wer das Wertvolle erfasst, wer Sinn hat für Würde des Menschen, wer Takt, Anstand, Ehrfurcht, Verständnis, Aufgeschlossenheit, Geschmack und Urteil erworben hat. Gebildet ist in einem Lebenskreis, wer den wertvollen Inhalt des dort überlieferten oder zugänglichen Geistes in eine persönlich verfügbare Form verwandelt hat.« Fassung von 1960.
Dieser Bildungsbegriff hat viel mit dem zu tun, was ich Exzellenzkompetenz nennen möchte. Exzellenzkompetenz ist das Wissen um das Beste, Höchste, Wertvollste in einem Lebenskreis – oder das Gefühl, die Intuition oder der Instinkt dafür. Es ist eine hohe Kunst, in verschiedenen Lebensfeldern beurteilen zu können, ob etwas »State-of-the-Art« oder meisterlich ist. Was ist gute Kunst, ein gutes Projekt, wer ist eine herrliche Persönlichkeit, ein erstklassiger Manager? Über diese Fragen werden wohl die meisten Bücher geschrieben. Sie heißen »Geheimnis des Erfolgs« oder »Die besten Bewerbungen« oder »Die besten Arbeitgeber«. Sie versuchen zu erklären, was das Beste ist und wie man gut wird. Exzellenzkompetenz ist das
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