AUFBRECHEN! - Warum Wir Eine Exzellenzgesellschaft Werden Muessen
finden: Wie werden meine Daten gespeichert und welche? Wer darf sie sehen? Darf ich sie selbst sehen? Es könnten brisante Daten sein! (» GD hat Krebs, einen Genschaden und leidet an Schizophrenie« – ups, das wusste ich gar nicht …) Sollen alle meine bisherigen Röntgenaufnahmen gespeichert werden oder nur die letzten? Darf mir die Akte E-Mails mit Mahnungen schreiben, vielleicht sogar Strafzahlungen androhen, wenn ich nicht zum Gesundheits- TÜV komme? Fragen über Fragen, die im Zusammenhang mit jahrelangen Diskussionen über Gesundheitskarten aufflammen. Vor lauter Streit geschieht nichts. Wie wird die Zahlung der 20 Euro abgewickelt? Durch meine Bank? Durch ein System der Ärzte, die dafür Gebühren verlangen? Über die Handyrechnungen bei der Telekom? Was passiert dann mit armen Bürgern, die kein Handy haben? Wie geschieht die Bezahlung für eine Internetberatung bei einem Notfall? (»Hier vor dem Bildschirm liegt ein Unbekannter. Herzattacke? Ja, okay, wir bringen ihn ins Krankenhaus? Ich zahle die 20 Euro jetzt aber nicht.«)
Für solche Zahlungsprozesse und -regeln wird sich eine ganze Industrie bilden. Das gibt erneut Stoff für Jahre des Streits um Pfründe.
Wer plant diese neuen Infrastrukturen? Das geschieht heute so, dass man »alle Fachleute an einen Tisch setzt«. Da ein guter Teil dieser Experten oder Lobbyisten in der neuen Struktur nicht mehr gebraucht wird, kommt es zu endlosem Gerangel und Abwehrkämpfen. »Der Markt« oder »alle Zuständigen« sind nicht in der Lage, eine gute, neue Infrastruktur einzurichten.
Was passiert, wenn wir Schulunterricht nach neuesten Culture Technologies anbieten wollen? Die Länder werden sich nicht einigen, ob das gut ist und wer es bezahlt. Der Lehrplan ist schon auf Jahre festgeschrieben, die zentralen Prüfungen auch. Müssen jetzt nicht alle Schulfächer neu geordnet werden? Kommen nicht viele neue Fächer dazu? Welche fallen weg? Wenn welche wegfallen – was geschieht mit den Lehrern?
Ich muss dazu wohl nicht viel mehr sagen. Das Einrichten neuer Infrastrukturen ist härteste Arbeit unter dem Getümmel von Interessengruppen. Diese Arbeit dauert mit Sicherheit länger als bis zur nächsten Wahl. Unser Staat ist deshalb eher unwillig, sich an die Arbeit zu machen. Niemand hat einen Sinn für die Dringlichkeit von Reformen. Wenn je Reformen oder neue Strukturen beschlossen werden, sehen sie wie ein Flickenteppich von Kompromissen aus – nicht aber wie eine gute Lösung für die Kunden, Bürger oder Schüler. Reformen werden nur unter höchstem Druck angepackt. Die Parteien zerreden jeden beliebigen Vorschlag, gut oder schlecht.
Der Staat befasst sich allenfalls mit Strukturerhaltung oder mit dem Betreiben der Strukturen. Änderungen sind eine ungeliebte Aufgabe und Reformen sowieso. Das neue Aufbauen von Zukunftsstrukturen ist gar nicht als Aufgabe des Staates erkannt.
Lassen Sie es mich etwas sarkastisch so ausdrücken (Verzeihung für meine Ungeduld; ich erlebe solche Streitigkeiten zu oft):
Infrastrukturen lassen sich oft durch den Staat nicht bauen, weil
sie auf Standardregeln und Normen basieren müssen, auf die sich die Parteien nicht gut frei einigen können oder wollen,
sie oft »soziale« Preisgestaltungen erfordern, damit sie allgemein zugänglich werden – die Parteien aber prügeln sich, was und wer sozial ist – und ob man es sein soll,
für sie oft eine Flächendeckung notwendig ist, die aber nicht wirtschaftlich ist und deshalb Geld vom Staat erfordert, das dieser nicht hat bzw. anderweitig versprach,
sie oft im Ganzen sehr teuer und zu risikoreich sind und daher für Regierungen ein Wiederwahlrisiko bedeuten,
für sie Gesetze und Rahmen geändert werden müssen, wozu sich der Staat nicht aufraffen kann,
der Staat keine Strukturen »aufzwingen kann« – weil er bei Wahlen abgestraft wird,
der Staat bei allem Schlamassel immer noch hofft, dass Privatinvestoren für das Problem gefunden werden können, die am Ende alles richten.
Dabei ist es klar, dass der Staat vom Prinzip her für die Infrastrukturen zuständig sein muss und auch kraft seiner Macht im Prinzip dazu fähig ist.
In einem Unternehmen ist es schließlich auch klar, dass der Boss für die Strukturen zuständig ist – wer sonst? Wenn er versagt, wird er ersetzt. In unserer Demokratie aber können wir als Wähler nur die Regierung durch den Zwillingsbruder Opposition ersetzen, also eigentlich nicht viel tun. Der Wähler hat keine Wahl.
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