Auferstehung 1. Band
das Schicksal dieser Unglücklichen zu lindern, und zwar so schnell wie möglich! Und jetzt will ich, da ich gerade hier bin, die Gelegenheit benutzen, um mich nach Fajnitzins oder Mikinins Adresse zu erkundigen.« Das waren zwei berühmte Advokaten, deren Namen ihm eingefallen waren.
Er kehrte wieder in das Gerichtsgebäude zurück, zog seinen Paletot aus und stieg die Treppe hinauf. Am Eingang des Korridors begegnete er Fajnitzin. Er redete ihn an und sagte ihm, er hätte mit ihm zu sprechen. Der Advokat, der ihn von Ansehen kannte und seinen Namen wußte, erwiderte eifrig, er schätze sich glücklich, ihm dienlich sein zu können.
»Ich bin leider ein bißchen abgespannt und habe noch zu thun; doch Sie können mir immerhin kurz erklären, um was es sich handelt. Wollen wir hier einen Augenblick hineingehen?«Damit ließ er Nechludoff in ein kleines, offenstehendes Zimmer treten, offenbar das eines Gerichtsbeamten, und beide setzten sich ans Fenster.
»Nun, um was handelt es sich?«
»Ich möchte Sie vor allem um Diskretion bitten,« sagte Nechludoff, »damit niemand erfährt, welchen Anteil ich an der fraglichen Sache nehme.«
»Gewiß; das versteht sich von selbst. Also?«
»Ich war heute Geschworener, und wir haben eine Frau, die unschuldig ist, zu Zwangsarbeit verurteilt. Das quält mich!«
Unwillkürlich wurde Nechludoff rot, verlegen und geriet in Verwirrung. Fajnitzin sah ihn mit raschem Blicke an, schlug dann die Augen zu Boden und betrachtete wieder das grüne Tuch des Tisches.
»Und weiter?« fragte er.
»Wir haben eine Unschuldige verurteilt, und ich möchte das Urteil kassieren und die Sache vor einen höheren Gerichtshof bringen lassen.«
»Vor den Senat,« berichtigte der Verteidiger.
»Ich wollte Sie bitten, die Sache in die Hand zu nehmen.«
Nechludoff wollte vor allem einen Punkt erledigen, der ihm ganz besonders peinlich war, und deshalb fügte er, ohne Atem zu holen, hinzu:
»Ihr Honorar und alle Kosten, die die Sache verursacht, übernehme ich selbstverständlich.«
Er fühlte, wie er zum zweitenmale rot wurde.
»Ja, ja, darüber werden wir uns schon verständigen!« versetzte der Advokat, über die Unerfahrenheit seines Klienten wohlgefällig lächelnd.
Nechludoff erzählte ihm den Fall in knappen Zügen. »So! und nun möchte ich wissen, was darin zu thun ist,« schloß er.
»Schön! Ich werde gleich morgen die Akten durchsehen, um Ihnen Auskunft erteilen zu können. Sagen wir also ... übermorgen ... oder nein, sagen wir lieber Donnerstag ... also Donnerstag gegen sechs Uhr abends! wenn Sie mich dann beehren wollen, werde ich Ihnen eine Antwort erteilen. Abgemacht, nicht wahr? Also Donnerstag. Entschuldigen Sie mich, bitte; aber ich habe hier auf dem Gericht noch Verschiedenes zu erledigen.«
Nechludoff verabschiedete sich von dem Advokaten und verließ das Gerichtsgebäude.
Diese neue Unterredung hatte ihn noch mehr beruhigt als die vorige: er fühlte sich bei dem Gedanken, zu Gunsten der Maslow bereits Schritte gethan zu haben, ganz glücklich. Er freute sich des schönen Wetters und sog mit Behagen die Frühlingsluft ein. Fiakerkutscher, die vor ihm hielten, boten ihm ihre Dienste an; doch er freute sich, gehen zu können. Doch sogleich fing ein ganzer Schwarm von Gedanken und Erinnerungen an Katuscha und wie er sich gegen sie benommen, in ihm zu summen an, aber er sagte sich:
»Nein, nein, daran werde ich später denken; jetzt muß ich mich vor allen Dingen von den häßlichen Eindrücken befreien, die ich eben durchgemacht!«
Er erinnerte sich an das Diner bei den Kortschagins und sah auf die Uhr. Es konnte noch nicht vorüber sein. Nechludoff lief nach einem Fiakerhalteplatz, betrachtete die Pferde, wählte den besten Wagen und befand sich zehn Minuten später vor der Auffahrt des großen und eleganten Hauses der Kortschagins.
Siebentes Kapitel
»Treten Ew. Exzellenz nur gütigst ein, man erwartet Sie oben,« sagte der dicke Portier der Kortschagins zu Nechludoff, »Man sitzt bei Tische, Ew. Exzellenz werden gebeten, sich in den Speisesaal zu bemühen.«
Der Portier ließ Nechludoff in den Speisesaal treten; dann ging er nach der Treppe und zog an einer Klingel.
»Ist Gesellschaft da?« fragte Nechludoff, während er seinen Paletot auszog.
»Nur Herr Kolossoff und Michael Sergejewitsch; sonst aber niemand,« versetzte der Portier.
Oben auf der Treppe zeigte sich die elegante Gestalt eines Dieners im Frack und weißen Handschuhen.
»Geruhen Ew. Excellenz, sich
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