Auferstehung 1. Band
Zimmer, unter dem Sammet, den Bronzen, den lackierten und vergoldeten Schmuckgegenständen. Nieging sie aus und sah absolut niemand, wie sie gern erklärte, als »ihre Freunde« d. h. die Personen, die sich aus dem oder jenem Grunde in ihren Augen von den gewöhnlichen Menschen unterschieden. Nechludoff gehörte natürlich zu diesen Freunden, gleichzeitig aber galt er für einen intelligenten jungen Mann, weil seine Mutter mit den Kortschagins in Verbindung gestanden hatte und vor allem, weil Sophie Wassiljewna ihn mit ihrer Tochter zu verheiraten wünschte.
Vor dem Zimmer der alten Fürstin lag ein großer und ein kleiner Salon. In dem großen Salon blieb Missy, die vor Nechludoff herging, plötzlich stehen, packte nervös die Lehne eines Stuhles und richtete ihre Blicke auf den jungen Mann.
Missy hegte den lebhaften Wunsch, sich zu verheiraten, und Nechludoff war für sie eine gute Partie. Außerdemgefiel er ihr, und sie hatte sich an den Gedanken gewöhnt, ihn sich zu erobern; sie wollte nicht ihm, sondern er sollte ihr gehören. Diesen Plan verfolgte sie mit unbewußter, aber zäher Verschlagenheit. Sie sagte deshalb ganz unvermittelt zu Nechludoff, indem sie ihm fest ins Auge sah:
»Ich sehe, es ist Ihnen etwas widerfahren! Sagen Sie mir, was!«
Nechludoff dachte wieder an sein Erlebnis im Schwurgerichtshof, zog die Stirn kraus und errötete.
»Ja, es ist mir etwas widerfahren,« versetzte er, denn lügen wollte er nicht; »etwas Seltsames, Unvorhergesehenes und Ernstes!«
»Was denn? Sie wollen es mir nicht sagen?«
»Ich kann es jetzt nicht. Verzeihen Sie mir! Es ist mir etwas passiert, über das ich noch nachdenken muß,« fügte er hinzu und errötete noch stärker.
»So wollen Sie es mir also nicht sagen?«
Eine Muskel ihres Gesichts zitterte, und sie stieß den Stuhl zurück, auf den sie sich stützte.
»Nein, ich kann nicht,« versetzte Nechludoff, der wohl fühlte, daß er durch diese Antwort den Ernst des Erlebnisses sich selbst gegenüber noch stärker hervorhob.
»Gut! gehen wir schnell zu Mama!«
Sie schüttelte den Kopf, als wolle sie einen unangenehmen Gedanken verscheuchen, und ging schnell weiter.
Nechludoff glaubte zu bemerken, daß sie an sich hielt, um nicht zu weinen. Er schämte sich und machte sich Vorwürfe, ihr Kummer bereitet zu haben, doch er wußte, er würde sich durch die geringste Schwäche zu Grunde richten, das heißt, sich für ewig binden, und davor hatte er an diesem Abend am meisten Angst. Deshalb schwieg er weiter und gelangte so mit dem jungen Mädchen in das Zimmer der Fürstin Kortschagin.
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Die Fürstin Sophie Wassiljewna hatte eben ihr Diner beendet, ein sehr feines und reichliches Diner, das sie stets allein aß, damit niemand sie bei dieser allzu prosaischen Beschäftigung beobachtete. Neben ihrer Chaiselongue stand auf einem kleinen Leuchtertisch ihr Kaffee; sie trank ihn in kleinen Schlucken und rauchte dazu parfümierte Cigaretten.
Sie war eine sehr lange und magere alte Dame mit langen Zähnen und großen schwarzen Augen, doch ihr Alter hinderte sie nicht, sich immer noch das Ansehen einer jungen Frau zu geben.
Ueber ihren Arzt waren allerlei Gerüchte im Umlauf, und Nechludoff, der bis dahin nie auf dieses Geschwätz geachtet hatte, mußte unwillkürlich daran denken, als er in das Zimmer trat und neben der alten Dame den korpulenten Arzt mit seinem elegant gestutzten und pomadisierten Barte sitzen sah. Sein Anblick erweckte in ihm ein Gefühl des Widerwillens.
Zu den Füßen der Chaiselongue saß auf einem Tabouret Kolossoff. Er schüttete sich gerade Zucker in seinen Kaffee, vor ihm stand ein kleines Gläschen Likör.
Missy, die mit Nechludoff in das Zimmer getreten war, blieb nur einen Augenblick und sagte zu diesem und Kolossoff mit fröhlichem Lächeln:
»Wenn Mama müde ist und Sie hinaussetzt, dann kommen Sie zu mir, nicht wahr?«
Darauf verließ sie, leise über den weichen Teppich huschend, das Zimmer.
»Na, guten Tag, mein Freund, setzen Sie sich hierher, und erzählen Sie,« sagte die Fürstin Sophie Wassiljewna mit ihrem gekünstelten Lächeln, das dem natürlichen Lächeln aber wunderbar ähnlich sah; »wir sprachen gerade von Ihnen. Die Herren meinten, Sie seien in sehr schlechter Laune aus der Gerichtsverhandlung zurückgekommen; solche Sitzungen müssen in der That für Leute von Herz peinlich sein,« fügte sie auf französisch hinzu.
»Ja, gewiß,« versetzte Nechludoff, »man fühlt dort sehr oft seine eigene Gemei ...,
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