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Auferstehung 1. Band

Auferstehung 1. Band

Titel: Auferstehung 1. Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo N. Tolstoi
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von diskreter und nüchterner, aber tadelloser Eleganz.
    »Sie müssen vor Hunger und Abspannung ja ganz erschöpft sein,« sagte sie zu Nechludoff, als er seine Suppe verspeist hatte.
    »Ach nein! So schlimm ist es nicht! Und Sie? Haben Sie sich die Bilder angesehen?«
    »Nein, wir haben den Besuch verschoben, und dafür bei den Salomonoffs Tennis gespielt. Wissen Sie, Mister Crooks spielt wirklich wunderbar!«
    Nechludoff hatte sich bei den Kortschagins zerstreuen wollen. Seine Besuche bei ihnen hatten ihm stets Freude gemacht, sowohl wegen des Luxus und Reichtums, der in dem Hause herrschte und seinen raffinierten Geschmack entzückte, wie auch wegen der Atmosphäre liebenswürdiger Schmeichelei, von der er sich unwillkürlich umgeben fühlte. Doch an diesem Abend mißfiel ihm seltsamerweise in diesem Hause alles: alles, von dem Portier, dem ungeheuren Vorflur, den Blumen, den befrackten Dienern, dem Tafelaufsatz, bis zu Missy, die er unnatürlich und unsympathisch fand. Er ärgerte sich über den spöttischen, groben Ton Kolossoffs, seinen Liberalismus, wie über das sinnliche und lasterhafte Gesicht des alten Kortschagin, die französischen Citate der alten slavenfreundlichen Jungfer, und die mürrischen Mienen der Erzieherin und des Hauslehrers, ganz besonders aber über die vertrauliche Manier, wie Missy von ihm gesprochen, anstatt ihn wie die übrigen Gäste mit dem Vornamen zu bezeichnen.
    Nechludoff hatte Missy gegenüber stets zwischen zwei Gefühlen hin- und hergeschwankt. Bald sah er sie sozusagen in einem Nebel und entdeckte an ihr alle möglichen Vollkommenheiten; sie erschien ihm offen, schön, intelligent und natürlich. Bald aber mußte er sich, wenn er vom Nebel ins helle Tageslicht trat, ihre Unvollkommenheit eingestehen. In der letzten Verfassung fühlte er sich an diesem Abend. Er bemerkte alle Runzeln auf ihrer Stirn, die beiden falschen Zähne, die sie im Munde hatte, die Spur des Brenneisens in ihren Haarlocken und die hervortretenden Knochen ihrer Ellenbogen; vor allem aber fielen ihm ihre langen Fingernägel auf, die ihn an die dicken Finger des alten Kortschagin erinnerten.
    »Ein langweiliges Spiel, das Tennis,« sagte Kolossoff; »das Ballspiel war zu unserer Zeit viel lustiger!«
    »Ach nein, Sie kennen das Tennisspiel nicht; es giebt nichts, das so schrecklich anregend wäre!« rief Missy, und Nechludoff hatte die Empfindung, als habe sie das Wort »schrecklich« mit unerträglicher Affektiertheit ausgesprochen.Es entspann sich ein Streit, an dem auch Michael Sergejewitsch und die alte Dame teilnahmen. Nur der Nachhilfelehrer, die Erzieherin und die Kinder schwiegen; sie langweilten sich offenbar.
    »Na, streitet euch wieder mal!« sagte der Fürst Kortschagin endlich lachend, nahm seine Serviette, legte sie zerknittert auf den Tisch und stand auf, während ein Diener schnell den Stuhl zurückschob. Alle erhoben sich und traten an einen kleinen Tisch, wo Krüge und Gläser mit warmem, parfümiertem Wasser standen. Die Gäste spülten sich den Mund aus und setzten dabei ihre Unterhaltung fort.
    »Nicht wahr, ich hatte recht?« fragte Missy Nechludoff, nachdem sie Michael Sergejewiisch erklärt, nichts verrate den Charakter der Leute so gut wie das Spiel. Sie hatte auf dem Gesicht ihres Freundes sogleich den strengen und ernsten Ausdruck bemerkt, der sie bei ihm schon mehrmals beunruhigt hatte, und war entschlossen, die Ursache desselben zu entdecken.
    »Ich habe nie über die Frage nachgedacht und weiß es wirklich nicht,« versetzte Nechludoff.
    »Wollen wir zu Mama hinaufgehen?« fragte das junge Mädchen.
    »Gewiß, gern!« erwiderte er, sich eine Cigarette anzündend; doch der Ton seiner Antwort verriet, daß er sich diesen lästigen Besuch gern erspart hätte.
    Sie schwieg, sah ihn fragend an, und ihre Unruhe wurde noch stärker.
    »Man möchte wahrhaftig glauben, ich sei hierher gekommen, um die Leute zu langweilen,« sagte sich Nechludoff inzwischen, zwang sich zur Liebenswürdigkeit und setzte einige Worte hinzu, welches Vergnügen es ihm bereiten würde, der Fürstin seine Aufwartung machen zu dürfen, wenn sie sein Besuch nicht störe.
    »Aber nicht doch, ganz im Gegenteil; Mama wird entzückt sein, und Sie können bei ihr ebenso gut rauchen, wie hier. Iwan Iwanowitsch muß schon hinaufgegangen sein.«
    Die Hausfrau, die Fürstin Sophie Wassiljewna, verbrachte ihr Leben auf ihrer Chaiselongue. Schon seit acht Jahren speiste sie nicht mehr bei Tische. Es gefiel ihr nur in ihrem

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