Auferstehung
zumindest auf Wahrheit beruht. Trotzdem bleiben noch einige wichtige Fragen offen.«
»Zum Beispiel?«
»Ferenczy war ein Vampir. Ein Vampir nimmt sich Opfer. Wenn ihn der Hunger überkommt, tötet er genauso rücksichtslos wie ein Fuchs ein Huhn, und genauso gedankenlos. Trotzdem sieht es so aus, als hätte er einen weißen Kragen. Wie hätte er jahrhundertelang hier leben können, ohne ein einziges Mal Verdacht zu erregen? Erinnern Sie sich, Ladislau Giresci? Blut ist Leben! Gab es keine Fälle von Vampirismus?«
»Im Umkreis von Ploiesti? Nein, keinen einzigen – zumindest konnte ich keine Aufzeichnungen darüber entdecken.« Giresci lächelte bitter und beugte sich vor. »Wenn Sie ein Vampir wären, Dragosani, würden Sie sich Ihre Opfer gleich vor der Haustür suchen?«
»Nein, wahrscheinlich nicht«, gab Dragosani stirnrunzelnd zu. »Wo dann?«
»Im Norden, mein Freund, in den Südkarpaten selbst. Wo sonst als in den transsilvanischen Alpen, wo alle Vampirgeschichten ihre Wurzeln zu haben scheinen? Slanic und Sinaia an den Ausläufern, Brasov und Sacele über dem Pass. Kein Ort weiter als 80 Kilometer vom Ferenczy-Haus entfernt, und jeder davon wird wegen seines üblen Rufs gemieden.«
»Was, selbst heute noch?« Dragosani heuchelte Überraschung, erinnerte sich aber an das, was Maura Kinkovski vor drei Jahren zu dem Thema zu sagen gehabt hatte.
»Geschichten überdauern die Zeit, Dragosani. Besonders Gespenstergeschichten. Die Leute aus den Bergen gehen keine Risiken ein. Wenn dort oben jemand jung stirbt und es keine einfache Erklärung dafür gibt, greift man sicherheitshalber noch mal zum Holzpflock! Es gibt Tatsachenberichte: Das letzte Kind, das an einem Vampirbiss starb, kam aus Slanic. Das war im Winter ’43. Ja, und das Mädchen wurde mit einem Holzpflock im Herzen begraben, wie so viele Leichen vor ihr. Elf waren es allein in dem Jahr gewesen, in allen umliegenden Dörfern!«
»1943, sagen Sie?«
Giresci nickte. »Ja, ich merke, Sie haben schon die Verbindung geknüpft. Richtig, das war nur ein paar Monate, bevor Ferenczy starb. Sie war sein letztes Opfer, oder zumindest das letzte, von dem wir wissen. Natürlich hätte er mitten im Krieg weit weniger Rücksichten nehmen müssen, er wäre seine Opfer viel schneller losgeworden. Leute, die einfach während der Luftangriffe in der Umgebung verschwanden – und davon gab es jede Menge, glauben Sie mir.« Er machte eine Pause. »Noch mehr Fragen?«
»Sie sagten, dass diese Orte, die Sie erwähnt haben, in den Bergen liegen, 80 Kilometer von Ploiesti entfernt. Das ist unwegsames Land; der Boden steigt rasch an, mancherorts fast 1000 Meter. Wie hat Ferenczy das also geschafft? Wurde er zur Fledermaus und flatterte in seine Jagdgründe?«
»Der Volksmund schreibt ihm solche Kräfte zu. Fledermaus, Wolf, Gespenst, sogar Floh, Käfer, oder Spinne! Ich glaube das nicht. Eindeutige Beweise dafür sind nirgendwo zu finden. Sie fragten aber, wie er zu seiner Beute kam. Ich habe meine eigenen Theorien ... aber nicht den geringsten Beweis.«
»Welche Theorien?«, fragte Dragosani und erwartete gespannt die Antwort Girescis. Er wusste bereits die richtige Antwort auf die Frage – oder glaubte es zumindest –, aber jetzt würde er herausfinden, wie schlau Giresci wirklich war. Und wie gefährlich ... Was? Unwillkürlich richtete er sich wieder auf. Was zum Teufel war mit seinen Gedankengängen los?
»Ein Vampir«, antwortete der andere langsam, vorsichtig seine Gedanken formulierend, »ist nicht menschlich. In der Nacht, als Ferenczy starb, habe ich genug gesehen, um davon überzeugt zu sein. Was ist er also? Er ist ein fremdes Geschöpf, ein Mitbewohner in Körper und Geist eines Menschen. Er ist bestenfalls ein Symbiont, schlimmstenfalls ein Parasit, ein grausiges schleimiges Etwas.«
Richtig!, bestätigte Dragosani in Gedanken. Auf einmal war ihm schwindlig, und er war verwirrt. Er wusste, dass Giresci mit seiner Einschätzung richtig lag – aber woher kam dieses Wissen? Während er sich noch wunderte, was mit ihm geschah, hörte Dragosani sich selbst sagen: »Ist er kein übernatürliches Wesen? Das müsste er wohl sein, wenn er all die Jahre seinen Geschäften nachgeht und doch der Aufdeckung entgeht.«
»Nein, nicht übernatürlich«, schüttelte Giresci den Kopf. »Übermenschlich! Hypnotisch, magnetisch! Ein Geschöpf der Illusion, keineswegs ein Magier, aber in jeder Hinsicht ein großer Schwindler! Keine Fledermaus, aber so leise wie eine
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