Auferstehung
Borowitz besorgt sein Gesicht erforschte.
»Licht!«, polterte der alte General dann. »Schalten Sie alles an. Andrej, stehen Sie nicht nur da wie ...« Er hielt inne und suchte den Raum ab, während Michail das Licht anschaltete. Andrej war nirgends zu sehen, und die Tür des Raumes stand weit offen.
»Feiger Hund!«, knurrte Borowitz.
»Vielleicht ruft er nach Hilfe«, stotterte Michail. Und setzte hinzu: »Genosse General, wenn ich Dragosani nicht niedergeschlagen hätte, dann hätte er ...«
»Ich weiß, ich weiß«, grollte Borowitz ungeduldig. »Das ist jetzt gleichgültig. Helfen Sie mir, ihn auf einen Sessel zu setzen.«
Als sie Dragosani hochhoben und auf den Sessel setzten, schüttelte dieser den Kopf, stöhnte laut und öffnete die Augen. Er richtete sie auf Borowitz’ Gesicht und verengte sie zu anklagenden Schlitzen. »Du!«, zischte er, versuchte sich aufzurichten, schaffte es jedoch nicht.
»Beruhigen Sie sich«, sagte Borowitz, »und seien Sie kein Narr. Sie sind nicht vergiftet, Mann. Glauben Sie wirklich, ich würde mich so leicht von meinem wertvollsten Gut trennen?«
»Aber er wurde vergiftet!«, krächzte Dragosani. »Vor nur vier Tagen. Es hat sein Hirn verbrannt, und er starb unter Todesqualen. Er dachte, sein Kopf würde schmelzen. Und nun habe ich das gleiche Zeug in mir! Ich muss mich übergeben, schnell! Ich muss mich übergeben!« Er versuchte verzweifelt aufzustehen.
Borowitz nickte, hielt ihn mit starker Hand zurück und grinste wie ein sibirischer Wolf. Er strich seinen Streifen pechschwarzen Haars zurück und sagte: »Ja, er ist so gestorben – aber Sie werden das nicht, Boris, Sie nicht. Das Gift war etwas Besonderes, ein bulgarisches Gebräu. Es wirkt rasch – und verschwindet schnell wieder. Es löst sich in wenigen Stunden auf und ist nicht nachweisbar. Wie ein Dolch aus Eis vollführt es den Todesstoß und schmilzt dann.«
Michail glotzte mit offenem Mund wie ein Mann, der etwas hört, das er nicht glauben kann. »Was ist das?«, fragte er. »Wie kann er wissen, dass wir den zweiten Befehlshaber der ...«
»Seien Sie still! «, fuhr Borowitz ihn wieder an. »Sie werden eines Tages noch an Ihrer losen Zunge ersticken, Michail Gerkhov!«
»Aber ...«
»Mann, sind Sie blind? Haben Sie gar nichts verstanden?«
Der andere zuckte die Schultern. Das alles war ihm über den Kopf gewachsen.
Er hatte schon viel Merkwürdiges gesehen, seit er vor drei Jahren ins Dezernat versetzt worden war, hatte Dinge gesehen und gehört, die er nie für möglich gehalten hätte, doch dies hier übertraf alles, was er bislang erlebt hatte. Es widersprach aller Vernunft.
Borowitz hatte sich wieder Dragosani zugewandt und packte ihn beim Nacken. Der nackte Mann war jetzt sehr blass, weder stahlgrau noch hautfarben, einfach nur blass. Er zitterte, als Borowitz ihn fragte: »Boris, haben Sie seinen Namen erfahren? Denken Sie nach, es ist äußerst wichtig.«
»Sein Name?« Dragosani blickte auf. Er wirkte krank.
»Sie haben gesagt, er würde mir nahestehen, der Mann, der mit diesem ausgeweideten Hund da drinnen unter einer Decke steckte. Wer ist er, Boris? Wer?«
Dragosani nickte und verengte seine Augen, als er sagte: »Er steht Ihnen nahe, ja. Sein Name ist – Ustinov!«
»Was ...?« Borowitz richtete sich auf, als er verstand.
»Ustinov?«, keuchte Michail Gerkhov. »Andrej Ustinov? Ist das denn möglich?«
»Sogar gut möglich«, sagte eine vertraute Stimme an der Tür.
Ustinov trat mit entschlossenem Gesicht und einer Maschinenpistole in der Armbeuge ein. Er zielte auf die drei Männer vor ihm. »Sehr gut möglich.«
»Aber warum?«, fragte Borowitz.
»Ist das denn nicht offensichtlich, ›Genosse General‹? Würde nicht jeder, der so viel Zeit mit Ihnen verbracht hat wie ich, Ihnen den Tod wünschen? Zu lange schon, Gregor, habe ich unter Ihren cholerischen Anfällen gelitten, unter Ihren kleinlichen Intrigen und dümmlichen Schikanen. Ja, und ich habe Ihnen treu gedient – bis jetzt. Doch Sie haben mich nie gemocht, haben mir nie etwas zugetraut. Was war ich schon – was bin ich schon für Sie? Eine Null, ein überflüssiges Anhängsel? Sie werden zufrieden sein, dass ich zumindest ein guter Schüler gewesen bin. Aber Ihr Stellvertreter? Nein, das war ich nie. Und ich sollte Platz machen für diesen Emporkömmling?« Er nickte spöttisch in Gerkhovs Richtung.
Borowitz’ Gesicht verriet deutlich seine Abscheu. »Und Sie hatte ich auswählen wollen!«, schnaufte er. »Ha!
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