Auferstehung
er antwortete: ›Raumzeit‹!«
»Raumzeit?« Harry war im Nu interessiert. »Das würde gut zu diesem Möbius-Schleifen-Ding passen. Mir scheint, dass die Schleife lediglich ein Diagramm des verzerrten Raums darstellt, und dass Raum und Zeit unauflösbar verbunden sind.«
»Ach?«, sagte Gormley, und Harry stellte sich seinen überraschten Ausdruck vor. »Harry, ist das dein eigener Gedanke, oder hast du wieder ... Hilfe von anderswo?«
Dies brachte Harry auf eine Idee. »Warten Sie«, sagte er. »Ich kenne zwar Ihren Möbius nicht, aber ich kenne jemand anderen.« Er nahm Kontakt mit James Gordon Hannant auf dem Friedhof in Harden auf und zeigte ihm die Schleife.
»Verzeihung, ich kann dir nicht helfen, Harry«, sagte Hannant, und seine Gedanken waren so knapp und präzise wie immer. »Ich bin in eine ganz andere Richtung gegangen. Kurven haben mich sowieso nie besonders interessiert. Damit meine ich, dass meine Mathematik sehr praxisorientiert war – ist. Anders, aber praktisch. Aber natürlich weißt du das. Falls man es auf Papier niederschreiben kann, könnte ich es vielleicht schaffen; ich bin visueller als Möbius. Vieles von dem Zeug existierte im Geist, war abstrakt, theoretisch. Wenn er und Einstein hätten zusammenkommen können, dann hätten wir wirklich etwas erleben können!«
»Aber ich muss das wissen!« Harry war verzweifelt. »Können Sie mir überhaupt keinen Rat geben?«
Hannant fühlte Harrys Drängen und hob eine mentale Augenbraue. Auf seine emotionslose kalkulierende Art sagte er: »Liegt die Antwort denn nicht auf der Hand, Harry? Warum fragst du nicht Möbius selbst? Du bist schließlich der Einzige, der es kann ...«
Harry war plötzlich aufgeregt und kehrte zu Gormley zurück. »Also«, erklärte er, »wenigstens weiß ich jetzt, wo ich anfangen muss. Was kam bei Ihrem Spiel mit Alec Kyle noch heraus?«
»Nachdem er mit ›Raumzeit‹ geantwortet hatte, versuchte ich es mit ›Necroscope‹«, sagte Gormley. »Er antwortete sofort mit ›Nekromant‹.«
Harry schwieg für einen Augenblick und sagte dann: »Es sieht so aus, als ob er Ihre Zukunft und auch meine vorausgesagt hätte.«
»Ich vermute ja«, antwortete Gormley. »Aber dann sagte er etwas, das mich auch jetzt noch ratlos macht. Ich meine – auch wenn wir annehmen, dass alles, was wir gerade erwähnt haben, irgendwie miteinander verbunden ist, was zum Donner soll ich dann mit ›Vampir‹ anfangen?«
Kalte Finger krochen Harrys Rückgrat hinauf. Ja, was nur? Schließlich sagte er: »Keenan, können wir jetzt aufhören? Ich melde mich wieder bei Ihnen, sobald ich kann, aber im Moment muss ich noch ein, zwei Dinge erledigen. Ich möchte meine Frau anrufen und eine Bibliothek finden und ein paar Sachen nachschlagen. Und ich möchte Möbius besuchen, also werde ich wahrscheinlich einen Flug nach Deutschland buchen. Außerdem habe ich Hunger! Und ich möchte über einige Dinge nachdenken. Alleine, meine ich.«
»Verstehe, Harry, ich werde bereit sein, wenn du wieder beginnen möchtest. Kümmere dich unbedingt zuerst um deine eigenen Bedürfnisse. Zugegeben, sie müssen größer als meine sein. Also nur los, Junge. Kümmere dich um die Lebenden. Die Toten haben viel Zeit.«
»Außerdem«, erklärte ihm Harry, »gibt es noch jemanden, mit dem ich sprechen möchte – aber das ist im Moment noch mein Geheimnis.«
Gormley war plötzlich um ihn besorgt. »Tu nichts Voreiliges. Ich meine ...«
»Sie meinten, ich solle es alleine angehen, es auf meine Art tun«, erinnerte ihn Harry.
Er spürte Gormleys Zustimmung. »Ja, Junge. Lass uns hoffen, dass du das Richtige tun wirst, das ist alles.«
Und dies war eine Ansicht, der Harry nur zustimmen konnte.
Spät am selben Abend hatten Dragosani und Batu in der russischen Botschaft bereits ihre Sachen gepackt und freuten sich auf ihren morgendlichen Abflug.
Die zwei russischen Agenten hatten Zimmer mit einer Verbindungstür und nur einem Telefon, das sich in Batus Appartement befand.
Der Nekromant hatte sich eben erst auf seinem Bett ausgestreckt, verloren in seinen seltsamen düsteren Grübeleien, als er das Klingeln des Telefons in Batus Raum hörte. Einen Augenblick später klopfte der gedrungene Mongole an die gemeinsame Tür. »Für Sie«, ertönte seine gedämpfte Stimme durch die Eichenbretter. »Die Vermittlung. Ein Anruf von draußen.«
Dragosani stand auf und ging hinüber in Batus Zimmer. Batu saß auf seinem Bett und grinste ihn an. »Nanu, Genosse! Sie haben
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