Auferstehung
läuft gut, mein Sohn – außer, dass es wohl etwas länger als gedacht dauern wird. Deine Gabe von gestern Abend hat mich gestärkt, wirklich – und ich bilde mir ein, dass ich sogar etwas Fleisch zugelegt habe. Dennoch ist die Erde immer noch hart, und meine alten Sehnen sind steif vom Salz im Boden ...
Aber dann sagte er eifriger: Hast du daran gedacht, Dragosani, mir noch einen kleinen Tribut mitzubringen? Vielleicht etwas, das mit meiner letzten Mahlzeit vergleichbar ist?
Als Antwort blieb der Nekromant am Rande des Kreises stehen und ließ das betäubte Schaf zu Boden fallen. »Ich habe es nicht vergessen«, sagte er. »Aber jetzt sag mir endlich, alter Drache, was du willst. Warum dauert es länger, als du dachtest?« Dragosanis Enttäuschung war echt; sein Plan hing davon ab, den Vampir in dieser Nacht zu erwecken.
Verstehst du denn gar nicht, Dragosani?, ertönte Thibors Antwort. Unter den Männern, die mir Gefolgschaft leisteten, als ich ein Krieger war, wurden viele in der Schlacht so verletzt, dass man sie zu ihren Betten trug. Einige erholten sich. Aber nach Monaten des Stillliegens waren sie häufig ausgezehrt und voller Schmerzen und Qualen. Stell dir vor, wie ich nach 500 Jahren aussehe! Nun denn ... wir werden ja sehen. Auch jetzt drängt es mich immer mehr, wieder aufzuerstehen – vielleicht nach einer kleinen Erfrischung ...?
Dragosani nickte sein Einverständnis, zog eine kleine, geschliffen scharfe Sichel aus der Scheide in seiner Tasche und schritt auf das Schaf zu.
Halt!, rief der Vampir. Wie du bereits vermutetest, könnte dies durchaus der Moment sein – für uns beide. Eine denkwürdige Stunde! Für uns beide. Ich jedenfalls glaube, dass wir sie mit dem gebotenen Respekt begehen sollten.
Der Nekromant legte die Stirn in Falten und seinen Kopf auf die Seite. »Und wie genau?«
Bis jetzt, mein Sohn, würdest du bestimmt zustimmen, dass ich keinen großen Wert auf Zeremonien gelegt habe. Bis jetzt habe ich mich ja auch nicht darüber beschwert, dass man mir meine Nahrung zuwirft wie einem wühlenden Schwein. Ich möchte aber gern, dass du weißt, Dragosani, dass ich einst an fürstlichen Höfen gespeist habe – und das will ich wieder tun, vielleicht mit dir zu meiner rechten Seite. Könnte ich deshalb nicht eine etwas höflichere Umgangsform erwarten? Oder muss ich mich an dich immer als den Mann erinnern, der meine Nahrung über mich geschüttet hat wie Kartoffelschalen in einen Schweinestall?
»Ist es nicht ein bisschen spät für so eine Pingeligkeit, Thibor?« Dragosani fragte sich, was der Vampir vorhatte. »Was genau willst du?«
Thibor bemerkte sein Zögern. Was? Du misstraust mir immer noch? Nun gut, du wirst deine Gründe haben. Bei mir war es der Wille zu überleben. Aber haben wir uns nicht darauf geeinigt, dass ich die Saat meines Fleisches aus deinem Körper austreibe, sobald ich wieder auf beiden Beinen stehe? Wirst du in jenem Augenblick nicht ganz in meinen Händen liegen? Es kommt mir närrisch vor, dass du mir Glauben schenkst, wenn ich frei herumlaufe, aber nicht, solange ich in meinem Grab liege! Wenn ich das wollte, könnte ich dir später nicht mehr Schaden zufügen als jetzt? Und wenn es denn mein Plan wäre, dir zu schaden, wer wäre dann mein Führer in dieser neuen Welt, in die ich eintreten werde? Du wirst mich unterweisen, Dragosani, und ich dich.
»Du hast immer noch nicht gesagt, was du willst.«
Der Vampir seufzte. Dragosani, ich bin gezwungen, eine kleine persönliche Schwäche zu gestehen. Ich habe dir in der Vergangenheit eine gewisse Eitelkeit vorgeworfen, dennoch muss ich jetzt zugeben, dass auch ich eitel bin. Ja, und ich würde meine Wiedergeburt gern auf eine etwas angemessenere Weise feiern. Deshalb reiche mir nun das Schaf, mein Sohn, und lege es vor mich. Lass es, zum letzten Mal, einen wahren Tribut sein – ein Weiheopfer für einen, der machtvoll ist – und nicht bloß Abfälle. Lass mich wie von einem Tablett essen, und nicht aus einem Trog!
»Du alter Drecksack!«, dachte Dragosani im Verborgenen. Also sollte er jetzt auch noch Lakai des Vampirs sein, ja? Ein weiterer Zigeunertölpel, der wie ein winselnder Köter auf dem Fuß folgte? »Ich habe etwas Neues für dich, mein alter, zu alter Freund!«, sinnierte Dragosani und hielt seine Gedanken weiter geheim. »Erfreue dich daran, Thibor Ferenczy, denn dies ist das letzte Mal, dass ein Mensch für deinesgleichen Dienste tun wird!« Aber laut sprach er aus: »Du willst also, dass
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